Neues von der London Book Fair

Die digitale Zukunft des Buches

Die Frage, wie Sie Bücher lesen ist, für Verlage und Buchhändler mittlerweile ebenso wichtig, wie was Sie lesen. Das E-Book, das digitale Buch, das auf einem elektronischen Lesegerät konsumiert wird, ist längst kein Sonderling im Regal mehr.

In den USA verkauft der Online-Buchhändler Amazon bereits mehr E-Books als Hardcover-Exemplare. Handys, iPads und Kindles als Lesegeräte sind vor allem in urbanen Gebieten ein bekannter Anblick in der U-Bahn oder im Zug. Wie geht's weiter mit der digitalen Zukunft des Buches, wie rüsten sich Verlage für diese rasante Entwicklung, und wie viele Generationen an Lesern kann das gedruckte Buch noch erfreuen, bevor es endgültig verschwindet?

Kulturjournal, 17.04.2012

Logischerweise findet man auf einer Buchmesse eine sehr große Anzahl an Büchern. Selbst die jedes Jahr größer werdende "digitale Zone" auf der London Book Fair kommt um gedruckte Exemplare nicht herum, auch wenn an jedem Stand der Vertrieb digitaler Medien angepriesen wird. Das E-Book hat in Europa - im Vergleich zu den USA - noch nicht seinen Durchbruch geschafft, der Hype auf den Buchmessen hat noch nicht in hohe Umsätze gemündet.

38 Millionen Euro des deutschen Buchhandelsumsatzes kamen im letzten Jahr über elektronische Lesegeräte und andere Downloads herein, das war noch nicht einmal ein Prozent des Gesamtmarktes, aber immerhin 77 Prozent mehr als 2010. John Ruhrmann von Bookwire spricht von einem "langsamen Aufstieg" des E-Books.

Auch bei den österreichischen Verlagen trägt das E-Book derzeit noch einen sehr geringen Anteil zum Umsatz bei: Laut einer Erhebung des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels erreichten im Jahr 2010 E-Books bei jenen 44 Prozent der heimischen Verlage, die bereits E-Books vertrieben, einen Umsatzanteil von weniger als einem Prozent. Solange ständig verbesserte Lesegeräte auf den Markt kommen und die Frage eines einheitlichen Formats noch ungeklärt ist, verhalten sich Verlage wie auch Konsumenten oft noch abwartend. Das E-Book ist eine Ergänzung und kein Ersatz für das gedruckte Buch, sagt Ruhrmann.

Interaktive Bücher im Kommen

Wie geht's weiter? Vier große Namen dominieren die digitale Welt: Google, Amazon, Microsoft und Apple. Sie geben das Tempo der Entwicklung vor, sagt Hervé Essa von der in Frankreich basierten Jouve-Gruppe. Sie ist auf Informationsverarbeitung für Verlage spezialisiert und bietet unter anderem eine Online-E-Book-Konvertierung für den Apple iBookstore an. Jouve verdient im digitalen Bereich so viel wie im Print-Sektor, sagt Essa. Er sieht das gedruckte Buch langsam verschwinden, es könnte sich aber als Nebenprodukt des digitalen Buches halten:

"Interaktive Bücher sind stark im Kommen, Bücher mit Geräuschen und Videos. Sie werden im Textbuch und Lernbereich eine Rolle spielen, Kinder spielen und lernen gleichzeitig, das heißt wir wenden uns mit neuen Inhalten auch einer neuen Art von Usern zu."

Kinder können sich diese Bücher vorlesen lassen, spannende Geräusche entdecken und lernen dabei spielend lesen. Textpassagen werden bei Berührung so vorgelesen, dass die einzelnen Worte synchron zum Sprecher aufleuchten. Die "Read Aloud"-Funktion von Apple iBooks macht's möglich.

Sie ist natürlich auch für Erwachsene geeignet, die wenig Zeit haben, aber trotzdem nicht aufs Lesen verzichten wollen. "Sie können ihr E-Book in der U-Bahn lesen; wenn sie ins Auto einsteigen, drücken sie einen Knopf und das Buch wechselt in den Vorlesemodus - genau dort, wo sie aufgehört haben zu lesen", sagt Essa. "Zuhause drücken sie auf Stop und lesen ihr Buch dann wieder weiter. Das ist ein sehr nettes Feature, das jetzt im Kommen ist."

Geringere Anfangskosten bei E-Books

Wer weiß, meint Herve Essa, vielleicht gibt es eines Tages auch E-Books mit Geruch, er sieht das Potenzial des digitalen Buches noch lange nicht erschöpft. Digitale Medien verändern nicht nur die Art, wie gelesen wird, auch Autoren müssen sich umstellen. Glaubt man den Stimmen im Internet, reicht es längst nicht mehr aus, einfach nur ein guter Schriftsteller zu sein, ökonomisches Denken und strategische Fähigkeiten sind eine neue Voraussetzung, um als Autor Erfolg zu haben.

Unabhängige Online-Verlage, die sich auf E-Books spezialisiert haben, sind vermehrt auf der Messe anzutreffen. Bookbaby aus den USA gehört zu ihnen. Seit eineinhalb Jahren ist Bookbaby am Markt. Kevin Breuner, einer der Mitbegründer, kommt ursprünglich aus der Musikbranche, wo digitale Downloads schon längst die CD vom Aussterben bedrohen. Breuner hilft unabhängigen unbekannten Autoren, ihre Bücher einem breiteren Publikum ohne hohe Kosten zugänglich zu machen. Ein E-Book gibt's schon für 99 Dollar.

"Ein Autor kann seinen Bekanntheitsgrad im Internet erhöhen, durch seinen Blog oder auf Twitter oder mit Videos Werbung für sich machen und dann das Buch digital herausgeben", so Breuner. "Das ist viel billiger, als mit Verlagen zu verhandeln, Tausende Bücher drucken zu lassen, und man ist danach nicht bankrott, wenn das Buch auf den Markt kommt."

Optisches Erlebnis

Breuner sieht noch keinen Untergang der Print-Version, ein ähnliches Schicksal wie der CD dürfte dem Buch erspart bleiben: "Bücher werden nicht verschwinden oder sich so schnell wie CDs verwandeln, der Konsument hält immer noch gerne ein Buch in der Hand."

Woran es liegt, dass die E-Book-Verkaufszahlen in Österreich und Deutschland, trotz des heiß umkämpften und hoch gelobten Marktes, bis jetzt eher ernüchternd sind, ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Vielleicht, weil das gedruckte Werk als optisches Erlebnis und Besitz noch einen großen Stellenwert unter den Lesern hat und das E-Book mit dem Charme eines "echten" Buches einfach nicht mithalten kann.