Familienchronik als Geschichtsepos

Rushdie-Verfilmung "Mitternachtskinder"

Mit seinem Roman "Mitternachtskinder" schaffte der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie 1981 den internationalen Durchbruch und erhielt dafür auch den renommierten Booker-Prize. Ein Roman, der aufgrund seiner Materialfülle nur schwer verfilmbar galt, doch Rushdie selbst hat ein Drehbuch daraus gemacht.

  • Mann und Frau

    (c) Concorde

  • Ein anderer Mann auf Motorrad

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  • Mann auf Motorrad

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Morgenjournal, 28.3.2013

Um Mitternacht am 15. August 1947, dem Tag der indischen Unabhängigkeit, kommen in einem Krankenhaus in Bombay zwei Buben zur Welt, einer aus reichen Verhältnissen, der andere in Armut geboren, doch eine Krankenschwester spielt mit dem Schicksal, vertauscht die Babys - eine Fantasie und ein politischer Wendepunkt. Das Wechselspiel von Mythos und Wirklichkeit kennzeichnet die Erzählweise von Salman Rushdis Buch "Mitternachtskinder", also jene Wesen, die über besondere Fähigkeiten verfügen. Ihr Zentrum ist Saleem - zugleich Erzähler und Hauptfigur - der immer wieder auf seinen bei der Geburt vertauschten Widersacher Shiva trifft.

Verlust und Gewinn

Saleem ist wie ein Reiseführer durch die Geschichte Indiens im 20. Jahrhundert, permanent wird sie mit dem Lebensweg seiner Familie über mehrere Generationen verwoben: Geld und Familienbeziehungen mit alle ihren Problemen, Verwechslungen und Zufälle, religiöse Differenzen und Gewalt, Liebe und Hass, Verlust und Wiedergewinn. Den Roman in seiner Fülle an Figuren, Handlungssträngen und Symbolen für das Kino zu bändigen, hat sich Salman Rushdie als Drehbuchautor selbst vorgenommen. "Dabei wollte ich einen möglichst unverfälschten Eindruck des Buches bewahren", meint Salman Rushdie.

Hollywood und Bollywood

Von der Teilung des Landes in den 1940er Jahren über diverse Bürgerkriege bis hin zur Unabhängigkeit von Bangladesch und der Herrschaft von Indira Gandhi reicht der historische Abriss.

Die kanadisch-indische Regisseurin Deepa Mehta inszeniert eine Familienchronik als Geschichtsepos, kreuzt dabei Hollywood mit Bollywood, doch trotz der vielen Motive mit Fantasiepotenzial findet Mehta nicht die Balance zwischen dem angestrebten großem Kino und dem magischen Realismus der Buchvorlage. Gerade die Tendenz zum Auserzählen, zum direkten Ausdruck lässt dem Kinozuseher nur wenige Freiräume für jene Magie, die der Film doch so nachdrücklich beschwören möchte.