Chinesisches Neujahrskonzert

Am 31. Jänner beginnt in China das Jahr des Pferdes. Hier in Wien wird der chinesische Jahreswechsel fast schon traditionell mit dem chinesischen Neujahrskonzert gefeiert. Heuer wird das am 2. Februar im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins stattfinden und im Zeichen der Peking-Oper stehen.

Neben einem traditionellen Ensemble werden die Darstellungen auch vom Bühnenorchester der Wiener Staatsoper begleitet. Geehrt werden mit dem Programm zwei große Meister der Peking-Oper, die heuer ihren 120. Geburtstag gefeiert hätten. Und als besondere Attraktion wird der Sohn des einen, Mei Baojiu auf der Bühne stehen. Und der hat mit seinen knapp 80 Jahren Erstaunliches über die Geschichte der Peking-Oper zu berichten.

Kulturjournal, 28.01.2014

Der 1894 geborene Mei Lanfang gilt als eine der ganz großen Figuren in der Geschichte der Peking-Oper. Seine große Spezialität waren Frauenrollen, die damals noch ausschließlich von Männern gesungen wurden. Seine Paraderolle war die Yang Guifei, eine kaiserliche Konkubine der Tang-Dynastie, die nach einer Palastintrige hingerichtet wurde.

Bei der Aufführung am 2. Februar wird der Sohn Mei Lanfangs, der 79-jährige Mei Baojiu, in die Rolle der legendären Schönheit schlüpfen. Er hat schon in jungen Jahren das Erbe seines Vaters übernommen und die Peking-Oper immer wieder den Anforderungen der Gegenwart angepasst. Um Kinder und Jugendliche für die traditionelle Kunstform zu begeistern, hat er auch schon versucht, Animationen in die Vorstellungen zu integrieren. Mei Baojiu: "Wichtig ist, dass die Seele und die Atmosphäre unangetastet bleiben. Was die neuen Möglichkeiten der Bühnentechnik betrifft wie Beleuchtung oder Sound nützen wir die aber natürlich. Die Peking-Oper muss sich verändern und mit den neuen Sehgewohnheiten des Publikums mitgehen. Sie muss neue Einflüsse aufnehmen, nur dann wird sie eine Zukunft haben.

Gesichtsbemalung und aufwendige Seidenroben, atemberaubende Akrobatik und dezentes Gestenspiel, dazu der von Laute, Trommel und Kniegeige begleitete Gesang. Die Peking-Oper ist so komplex, dass sie 2010 von der UNESCO in die Liste des "immateriellen Kulturerbes" der Menschheit aufgenommen wurde. Die Unterschiede zur westlichen Oper sind dabei augen- und ohrenscheinlich - nicht nur, was Darstellung und Musik, sondern auch, was die Atmosphäre im Zuschauerraum betrifft.

Zumindest bis vor wenigen Jahrzehnten, war das noch so, erzählt Mei Baojiu mit einem nostalgischen Lächeln: "Für uns ältere Menschen gehört das noch zusammen. Während der Vorstellung, Tee zu trinken und Obst zu essen. Die Peking-Oper war traditionellerweise ein Vergnügungsort. Da ging es nicht so steif zu wie in der westlichen Oper, wo man Krawatte und Abendgarderobe trägt. In China war die Oper eine volkstümliche Kunstform. Heutzutage hat sich das verändert. In den Opernhäusern der chinesischen Großstädte fühlt man sich mittlerweile genauso wie im Westen. Man braucht aber nur aufs Land fahren und dort eine Vorstellung besuchen, um wieder in diese traditionelle, ungeheuer interessante Atmosphäre einzutauchen."

In Wien hat die Peking-Oper übrigens Tradition. Schon zur Weltausstellung 1873 trat erstmals ein chinesisches Ensemble in der Stadt auf. Später in der Zwischenkriegszeit erfreuten sich exotische Theaterformen wie die Peking-Oper international großer Beliebtheit und Mei Lanfang tourte damals um die ganze Welt. Bertold Brecht gehört zu seinen Bewunderern und sein Konzept des Verfremdungseffekts verdankt sich Beobachtungen, die er bei einer Aufführung gemacht hatte. Doch auch die damaligen Filmstars zeigten sich von Mei Lanfang begeistert. Mit einem der größten von Ihnen verband seinen Vater sogar eine enge Freundschaft, erinnert sich Mei Baojiu: "1929 hat mein Vater eine Amerika-Tournee unternommen und bei dieser Gelegenheit Charlie Chaplin kennengelernt. Sie unterhielten sich damals über die chinesische Kunst und das amerikanische Kino. Chaplin ist später auch nach Peking gekommen und hat meinen Vater zu Hause besucht. Sie wurden wirklich gute Freunde und obwohl ihre Kunstgattungen so völlig verschieden erscheinen, teilten sie ganz ähnliche Ansichten zur Kunst."

Das heutige vom Turbokapitalismus bestimmte China macht es der Peking-Oper immer schwieriger ihr Publikum zu finden. Das ist aber nicht das einzige Problem, das das ungezügelte Wirtschaftswachstum dem Peking-Opern-Star Mei Baojiu bereitet: "Die Luftverschmutzung in China setzt meiner Stimme schwer zu. Die Regierung hat auch schon beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen, weil die ganze Gesellschaft und allen voran die Kinder und alten Menschen massiv darunter leiden."

Die Peking-Opernstars dürfen sich also auf die vergleichsweise noch gute Wiener Luft freuen und das heimische Publikum auf eine Aufführung, die es quer durch die Mythen und Legenden der chinesischen Geschichte führt.