Die Zukunft selbst in die Hand nehmen
Einfach. Jetzt. Machen.
Lokal handeln und damit die Welt verändern. So knapp lässt sich der Leitsatz der Transition-Bewegung zusammenfassen, die der britische Umweltaktivist und Sozialforscher Rob Hopkins vor knapp zehn Jahren in Irland gegründet hat. In seinem Buch "Einfach. Jetzt. Machen!" hat Hopkins nun Bilanz gezogen und die fällt durchaus positiv aus.
8. April 2017, 21:58
Immer mehr Menschen verabschieden sich von Konsum und Konkurrenz und nehmen stattdessen ihre Zukunft selbst in die Hand. Unabhängig von Politik und Unternehmen stellen sie regionale Wirtschaftspläne auf, gründen Nahrungsmittelgenossenschaften oder gründen Reparaturcafés. Rob Hopkins propagiert in "Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen können" einen tiefgreifenden wirtschaftlichen und kulturellen Wandel, der mancherorts bereits begonnen hat.
Eine Idee schwappt über
Begonnen hat alles vor zehn Jahren an einer Universität. Doch schon kurz darauf hat sich die Transition-Bewegung von der Entstehungsgeschichte einer herkömmlichen Innovation verabschiedet. Im Angesicht der immer knapper werdenden Ressourcen hatte Rob Hopkins mit Studenten am irischen Kinsale College ein Programm für die dortige Gemeinde entwickelt. Die Ziele waren klar: den Energieverbrauch reduzieren und die Abhängigkeit von nichterneuerbaren Ressourcen und industrieller Warenproduktion verringern.
Wäre das Konzept an der Universität geblieben, wären daraus vielleicht einige Seminararbeiten entstanden. Doch Hopkins legte das Programm dem Stadtrat von Kinsale vor. Bereits ein Jahr später wurde die irische Gemeinde zur ersten "transition town". Mittlerweile gibt es mehr als 1000 vergleichbare Initiativen in rund 40 Ländern, die der Ideologie des stetigen Wachstums den Kampf angesagt haben. In seinem dritten Buch hat der Autor nun die bisherigen Erfolge der Transition-Bewegung zusammengefasst. Und er liefert gleich zu Beginn zahlreiche gute Gründe, sich seiner Idee anzuschließen.
Umweltverträglicher Nutzen
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Die westliche Wirtschaft scheint wirklich zu glauben, dass Wachstum per se immer etwas Gutes ist. Die Ironie ist natürlich, dass in einer Welt mit zunehmend knapperen Ressourcen, mit einem Klima, das sich kurz vor dem Kipppunkt hin zum unkontrollierbaren Klimawandel befindet, und einer Wirtschaft, die unter einer gigantischen Schuldenlast ächzt, ein solcher Ansatz das Letzte ist, was wir brauchen; eine derartige Wirtschaft braucht kein Mensch!
Nach Ansicht von Hopkins werden weder große Sparprogramme noch gezielte Steuersenkungen Konsum und Wirtschaft ankurbeln. Und sie werden es vor allem nicht in einer umweltverträglichen Weise tun. Der britische Umweltaktivist propagiert deswegen seine Vision der "lokalen Resilienz als Faktor der Wirtschaftsentwicklung". Öl-Abhängigkeit und Kohlendioxid-Emissionen werden reduziert, die Entscheidungsbefugnisse wieder auf eine lokale Ebene zurückgebracht.
Das Geld bleibt
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In einer lokalen und resilienten Wirtschaft sehen wir all das Geld, das den lokalen Wirtschaftskreislauf verlässt, als verpasste Chance an. Ein steigender Prozentsatz des Geldes, das sonst durch Supermärkte, Online-Shopping sowie in Form von Strom- und Nebenkostenrechnungen aus der Region abfließt, verbleibt stattdessen im lokalen Umfeld und ermöglicht Schulungseinrichtungen, neue Unternehmen, neue Investitionsmöglichkeiten und neue Lebensgrundlagen, stärkt die bestehende lokale Wirtschaft und führt dazu, dass alle möglichen neuen kreativen Ideen verwirklicht werden können. Kurz gesagt: Es erfüllt unsere Bedürfnisse besser.
Nach Ansicht von Rob Hopkins zeigen viele Initiativen - auch jenseits von Transition -, dass das Bedürfnis nach einem strukturellen Wandel in der Wirtschafts- und Umweltpolitik groß ist. Es gibt beispielsweise weltweit dreimal mehr Genossenschaftsmitglieder als Aktionäre. 800 Millionen Menschen weltweit gärtnern in der Stadt und produzieren so bis zu 20 Prozent aller Lebensmittel. Und die Anzahl der Fahrräder in Europas Städten steigt stetig.
Man lernt sich kennen
Je mehr Menschen sich mit einer Idee zusammentun, desto eher wird aus einer ganzen Gemeinde eine Transition-Town. Ein Vorbild wäre etwa das englische Städtchen Totnes.
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Sie gehen Ihre Straße entlang, klopfen an die Türe und überzeugen sechs bis zehn Nachbarn, sich insgesamt siebenmal zu treffen (einmal in jeder Wohnung). Jede Woche steht dabei unter einem anderen bestimmten Thema (Ernährung, Energie, Wasser, Mobilität, u.v.m.) und jeder Haushalt bekommt dazu ein Arbeitsbuch voller Tipps und Ideen. In Totnes wurden so durchschnittlich in jedem der 700 teilnehmenden Haushalte ca. 1,3 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart (und dazu je ca. 750 Euro!).
Als größten Erfolg des Projektes in Totnes verbuchten die Beteiligten jedoch nicht die Geldersparnis, sondern dass sie ihre Nachbarn besser kennengelernt hatten.
Richtungsweisende Initiativen
In "Einfach. Jetzt. Machen!" beschreibt Rob Hopkins zahlreiche solcher erfolgreichen Initiativen, liefert Bildmaterial dazu und lässt die Aktivisten zu Wort kommen: Sei es die Ersatzwährung "Bristol Pound", die die Ortsansässigen enger mit der lokalen Wirtschaft verknüpft, oder die "Gasketeers" in Malvern, die es geschafft haben, den Gasverbrauch der viktorianischen Straßenbeleuchtung um 70 Prozent zu reduzieren. Derzeit arbeitet man in Malvern daran, die Gaslaternen mit Hundehaufen aus der Gegend zu betreiben. An diesem kulturellen Wandel sollten sich nach Hopkins Meinung vor allem Unternehmen orientieren.
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In dieser neuen Postwachstumsökonomie werden sich Unternehmen meiner Meinung nach durch folgende Eigenschaften auszeichnen: Sie agieren stärker lokal - das heißt "schwere" Güter wie Nahrung und Baumaterialien werden so nah wie möglich an einem Ort angebaut oder hergestellt, an dem sie auch konsumiert oder verwendet werden, wohingegen "leichte" Güter - wie gute Ideen oder Software - auch durchaus über weite Entfernungen bezogen werden können.
Kontakte für Nachahmer
Die meisten Beispiele in Rob Hopkins Buch stammen aus Großbritannien. Einige internationale Initiativen sowie ein Exkurs in den deutschsprachigen Raum runden die Vielfalt der Aktivitäten ab. Ergänzt wird das Buch durch eine Art Serviceteil, in dem interessierte Nachahmer Kontaktadressen und Vernetzungsmöglichkeiten finden. Der Titel des Buches "Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen können" ist Programm und macht tatsächlich Lust darauf, selbst aktiv zu werden. Denjenigen, die mit dem Prinzip des stetigen Wachstums nichts mehr anfangen können, wird es ein interessantes Handbuch sein.
Service
Rob Hopkins, "Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen können", aus dem Englischen von Gerd Wessling und Martin Elborg, Oekom Verlag
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