Roman von Michael Köhlmeier

Zwei Herren am Strand

Nach seinen beiden großen Romanen "Abendland" und "Die Abenteuer des Joel Spazierer" ist auch das neue Buch von Michael Köhlmeier thematisch im 20. Jahrhundert angesiedelt. "Zwei Herren am Strand" erzählt die eigenwillige Freundschaft von Charlie Chaplin und Winston Churchill, zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Epoche, vor dem Hintergrund des sich anbahnenden Zweiten Weltkriegs.

Morgenjournal, 13.08.2014

In einer Frühlingsnacht des Jahres 1927 stehlen sich zwei Herren unbemerkt von einer Strandhausparty in Santa Monica davon, treffen draußen zufällig aufeinander und beschließen, am Strand spazieren zu gehen. Trotz ihrer ungleichen Herkunft, Ideologie und Lebensanschauung entdecken sie im Schatten der Nacht eine verhängnisvolle Gemeinsamkeit: Beide werden regelmäßig von schweren Depressionen und Suizidgedanken heimgesucht.

Pakt gegen den "schwarzen Hund"

Sie schließen einen Pakt gegen diesen "schwarzen Hund", wie Churchill die Krankheit nennt. Wann immer einer der beiden die Dringlichkeit verspüre, seinem Leben ein Ende zu setzen, würde der andere bedingungslos zur Stelle sein.

Geschildert werden die Zusammentreffen aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, der als Puppenspieler in einer deutschen Kleinstadt lebt. Sein Vater sei als Kind zufällig den beiden historischen Persönlichkeiten begegnet und später in regem Briefkontakt mit Churchills engstem Vertrauten gestanden. Er, der Erzähler, gibt sich nun als ambitionierter Chronist der ungleichen Freundschaft, die er anhand der Korrespondenzen des Vaters und anderer angeblich vertraulicher Quellen nachzeichnet.

Spiel mit fiktiven und realen Quellen

Immer wieder überquert Köhlmeier genüsslich die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Er präsentiert angeblich mühevoll recherchierte Tagebucheinträge, konstruiert geheime Briefwechsel und intime Unterredungen und lässt authentische und fingierte Überlieferungen ineinander fließen, so dass am Ende beide gleichermaßen ungewiss erscheinen.

Stilistisch klar und pointiert und mit eindrucksvollen sprachlichen Bildern schildert Michael Köhlmeier die Treffen der beiden Leidensgenossen und erzählt ganz nebenbei die großen politischen Zusammenhänge und Ereignisse ihrer Epoche. Im Abstand von mehreren Jahren finden Churchill und Chaplin immer wieder zueinander. Da werden Methoden zur Bekämpfung der Depression ausgetauscht, aber auch detailreich Methoden zur effektiven Beförderung ins Jenseits ersonnen. Für Köhlmeier ein Indiz für die enge Verquickung von Erfolg und Scheitern, Tragik und Komik, und darüber hinaus eine unvermutete Quelle der Komik.

Über weite Strecken des Romans verlieren sich Churchill und Chaplin allerdings aus den Augen. Stattdessen hält sich Köhlmeier ausnehmend lange an den jeweiligen biografischen Stationen zwischen ihren Treffen auf. Etwa bei Churchills Kriegsstrategien und seiner vermeintlichen Begegnung mit Adolf Hitler im Waschraum eines Hotels. Oder bei Chaplins Arbeit an "Der große Diktator", die schon im Vorfeld von Morddrohungen, Boykotten und medialer Aufregung begleitet wird.

Insgesamt ist "Zwei Herren am Strand" wie schon zuletzt "Die Abenteuer des Joel Spazierer" ein charmantes literarisches Spiel mit Wahrheit und Schwindel, dessen Erzählfluss man sich argwöhnisch nähert und schließlich doch uneingeschränkt hingibt. Das Buch ist im Hanser Verlag erschienen.