Sibylle Berg. Exzess und Verzweiflung

In ihrem neuen Roman "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" beschreibt Sibylle Berg Szenen einer Ehe. Am Sonntag gastiert die Autorin im Wiener Rabenhof.

Morgenjournal, 13.3.2015

Verglichen wird sie oft mit Frankreichs Erfolgsautor Michel Houellebecq. Mit ihm teilt die deutsche Autorin Sibylle Berg einen fast barocken Weltekel und einen erbarmungslosen Blick auf den alternden Körper. In ihrem neuen Roman "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" beschreibt Sibylle Berg nicht weniger schonungslos Szenen einer Ehe. Am Sonntag präsentiert sie den Roman im Wiener Rabenhof. Als Unterstützung hat die Autorin TV-Entertainer Dirk Stermann und die österreichische Chanteuse Gustav eingeladen.

Chloe und Rasmus, beide in den so genannten besten Jahren, sind seit 20 Jahren verheiratet. Er ist Theaterregisseur, dessen Karriere schon bessere Tage gesehen hat, sie arbeitet in einem Antiquariat. Die Tage ziehen im dumpfen Gleichklang vorbei. Chloe und Rasmus führen eine gute, wenn auch leidenschaftslose Ehe. In ihrem neuen Roman "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand"wirft Sibylle Berg Szenen alltagsrelevante Frage auf: "Wie geht sich das aus? Liebe und Sex? Ich kenne wenige Paare, die länger zusammen sind und nicht manchmal schmerzlich den Sex, die Leidenschaft der ersten Stunde vermissen, oder sagen wir einfach das Gefühl der Unendlichkeit“, so die Autorin Sibylle Berg.

Ein Paar in den so genannten besten Jahren

Sibylle Bergs Romane sind oft mit philosophischen Fragen unterfüttert und lesen sich wie ein Traktat, in dem Probleme des Lebens im Spätkapitalismus verhandelt werden. Das gilt auch für ihren neuen Roman "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand": Leben wir in einer Gesellschaft, in der Sex überbewertet wird, in der unsere Sehnsüchte und Wünsche von fremdbestimmten, oft pornografisch verbrämten Vorstellungen geformt sind? Und trifft das Paradox zu, dass Intimität und sexuelles Begehren einander ausschließen?

"Die Fragen, die Sibylle Berg stellt, sind nicht neu. Neu ist die Form, mit der sie dieses Thema bearbeitet. Sibylle Berg hat eine wunderbare düstere, aber auch humorvolle Sprache und sie zeichnet Figuren sehr präzise - in all ihrer Tristesse.", sagt Dirk Stermann, der Sibylle Berg diesen Sonntag bei der Präsentation von "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" im Wiener Rabenhof unterstützen wird.

Intimität versus sexuelles Begehren

In ihrem Roman beschreibt Sibylle Berg ein durchschnittliches Mittelklasseehepaar aus dem intellektuellen Milieu. Es ist gelangweilt, unbefriedigt und saturiert. Als der Ehemann Rasmus zum großen künstlerischen Selbsterfahrungstrip in ein nicht näher definiertes Schwellenland aufbricht und seine Frau Chloe ihm folgt, passiert das Unweigerliche: Chloe entflammt für einen jungen Masseur. Plötzlich steht die Ehe und Freundschaft mit Rasmus auf dem Prüfstand.

Gewohnt provokant fragt Sibylle Berg: Ist Sex überhaupt notwendig? "Zum einen frage ich: Muss das wirklich sein? Wollt ihr das wirklich? Kommt es von außen? Die andere Frage ist, ob dieser Wunsch nach einem sexuellen Abenteuer mit einer allgemeinen Lebensverdrossenheit einhergeht, die sich bei manchen Menschen schon mit Ende 30 einstellt. Man fragt sich: Was kommt jetzt noch?", so Sibylle Berg.

Mit dem weiblichen Ehebruch bezieht sich Sibylle Berg auf ein Motiv, das aus der Weltliteratur hinlänglich bekannt ist. Bei Berg endet der Ehebruch aber nicht tödlichen wie im bürgerlichen Realismus, er mündet in der Groteske. Der gehörnte Ehemann teilt mit dem Liebhaber Tisch und Bett und mit fortschreitender Handlung schrauben sich die Figuren in verzweifelte Exzesse hinein. Gespickt ist dieser karnevaleske Reigen mit ernüchternden Kalendersprüchen, die Sibylle-Berg-Fans hinlänglich bekannt sind. Am Ende bleibt alles beim Alten, denn auch dieses Liebeskarussell ist letztlich nur "ein Zeitvertreib im Warten auf den Tod."

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Theater Rabenhof - Ist Sex lebensnotwendig?

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