Von Harro Albrecht

Schmerz - Eine Befreiungsgeschichte

Schmerzen verstehen, Schmerzen verlernen, Schmerzen managen: An Büchern zum Thema mangelt es nicht. Der Arzt und Wissenschaftsjournalist Harro Albrecht vertritt die Überzeugung, dass Schmerz weit mehr ist als eine körperliche Empfindung. Und so handelt sein Buch von der gesellschaftlichen Dimension des Schmerzes.

Service

Harro Albrecht, "Schmerz - Eine Befreiungsgeschichte", Pattloch Verlag

Schmerz ist nicht nur ein körperliches Symptom, sondern auch ein psychologisches und soziales, kurz: ein "biopsychosoziales" Phänomen. Es entsteht, so Albrecht, oft "weniger in den Körpern der Patienten, als (…) in den Falten ihrer Lebensentwürfe". Das trifft insbesondere auf die chronischen Schmerzen zu, deren Ursachen oft nicht zu lokalisieren sind. Eine Spritze oder Pille jedenfalls hilft da in der Regel nicht.

Therapien müssen den ganzen Menschen, die Biografie des Patienten in den Blick nehmen und interdisziplinär vorgehen. Wirksam können Yoga, Bewegung, Sport, sogar Placebos sein, aber auch Gruppenerlebnisse: gemeinsam Musizieren, Tanzen, Singen. So wie soziale Zurückweisung und Isolation den Schmerz verstärken, können umgekehrt Gemeinschaftserlebnisse und körperliche Aktivitäten ihn mindern. Geselligkeit statt Aspirin.

Albrechts 600-Seiten-Buch ist weder medizinisches Lehrbuch noch Ratgeber - sondern viel mehr als das. Denn der Schmerz, diese, so der Autor, "sehr schwer fassbare Größe", rückt hier nicht nur als medizinisches Phänomen in den Blick, sondern auch als kulturgeschichtliches, als etwas, das immer wieder instrumentalisiert wurde, von Kirche, Politik und Gesellschaft. Das zu erkennen sei - genauso, wie sich dem "Dogma der Schmerzfreiheit" nicht zu unterwerfen - eine "Befreiungsgeschichte".