Filmfestival Zürich
Wenn man an Filmfestivals in der Schweiz denkt, dann wohl zuerst an das Traditionsfestival in Locarno, das jedes Jahr im August stattfindet. Doch seit 2005 hat auch Zürich sein Filmfestival, das stetig wächst und mittlerweile rund 80.000 Zuschauer verbuchen kann.
26. April 2017, 12:23
Heuer werden in zehn Kinosälen insgesamt 161 Spiel und Dokumentarfilme gezeigt, wobei die breit gestreute Auswahl von großen Hollywood-Produktionen, die in Kürze auch regulär in die Kinos kommen, bis hin zu echten Independent-Produktionen reicht.
Kulturjournal, 29.9.2015
"The Man Who Knew Infinity" eröffnet
Weisheit oder Schönheit? Das war hier die Frage - beim Zürich Filmfestival, das letzte Woche mit dem Film "The Man Who Knew Infinity" eröffnet wurde: Einer Filmbiografie über den indischen Mathematiker Srinivasa Ramanujan, unter anderem mit Jeremy Irons in einer Hauptrolle. Und der britische Schauspieler hatte eine klare Antwort: Weisheit gehe eindeutig vor Schönheit.
B-Festival mit Stardichte
Und dennoch: Schönheit, Glamour und Exklusivität gehören eindeutig zu Zürich. Abends kommt das schick gekleidete Festivalpublikum zu den Galavorführungen auf den Sechseläutenplatz vor der Zürcher Oper, von der "Neuen Zürcher Zeitung" scherzhaft in "Sexyleuteplatz" umbenannt. Publikumsmagnet ist dabei die internationale Filmprominenz, heuer etwa Christoph Waltz am - in Zürich sogenannten "grünen Teppich". Oder Kiefer Sutherland, Todd Haynes, Armin Mueller-Stahl, Christian Slater und - morgen zu Gast - Arnold Schwarzenegger. Eine Stardichte, um die Zürich beneidet wird.
Das Zürich-Filmfestival ist ein sogenanntes B-Festival, das drei Wettbewerbe im Programm hat: internationaler Spielfilm, internationaler Dokumentarfilm und eine Wettbewerbsschiene zu Deutschland, Schweiz und Österreich. Im Vergleich zu großen A-Festivals wie Cannes, Berlin oder Venedig, sind hier aber nur wenige Weltpremieren zu sehen. Dafür kann Co-Festivalleiter Karl Spoerri aus der Reichhaltigkeit eines gesamten Festivaljahrgangs schöpfen, also aus bereits auf anderen Festivals gelaufenen Filmen. Darin sieht Spoerri durchaus einen Vorteil.
"Carol" von Todd Haynes
Unbedingt sehen sollte man in Zürich den Film "Carol" von Todd Haynes, in dessen Mittelpunkt die Liebe der gut situierten Carol zu einer wesentlich jüngeren Kaufhausangestellten steht. Angesiedelt im New York der 1950er Jahre, kämpft das Paar gegen die gesellschaftlichen Widerstände auf die diese Liebe trifft: gegen Konventionen, die im Überbau von einem Klassenkonflikt überschattet sind. Das alles fasst Regisseur Todd Haynes in Bilder von ausgesuchter Eleganz.
Gleichberechtigungsdrama "Freeheld"
Den Kampf um Gleichheit, der in "Carol" noch auf informeller Ebene geführt wird, hat die lesbische New-Jersey-Polizistin Laurel Hester in den 2000er Jahren auf eine politische Bühne gehoben. Als Hester an Lungenkrebs erkrankte und ihrer Partnerin die Witwen-Pension verwehrt wurde, machte sie ihren Fall öffentlich. "Freeheld" heißt der in Zürich gezeigte Film, der - erstaunlich unsentimental - Krebsdrama und Polit-Engagement vereint, mit Julianne Moore und Ellen Page in den Hauptrollen.
Nicht zuletzt vor dem heuer im Juni erreichten landesweiten Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe in den USA sieht Ellen Page "Freeheld" als eine Art Feier für das Erreichte. Und hat "Freeheld" auch schon in Russland einen Verleih, so die Frage einer russischen Journalistin beim Pressegespräch: Nein, Russland sei eines der wenigen Länder, wohin der Film noch nicht verkauft sei. Doch vielleicht, so Produzent Michael Shamberg in Anspielung auf einen kürzlichen Streich, der Elton John gespielt wurde: Vielleicht könne Elton ja mal Putin fragen.
Im Programmheft des Filmfestivals fallen neben Inhalt und Besetzungslisten einzelner Filme auch die Logos zahlreicher Sponsoren auf: Über 100 Partner aus der Wirtschaft hat das Festival, das über ein Budget von rund 6,6 Millionen Euro verfügt. Das Festival sei zu über 80 Prozent privat finanziert, betont Co-Direktor Spoerri. Mancher Star muss ohnehin bei der Geldbeschaffung mitmachen: Wer etwa morgen in einem exklusiven, 45-Minütigen Podiumsgespräch mit 260 Plätzen Arnold Schwarzenegger persönlich eine Frage stellen möchte, bitte schön, für 85 Euro ist man dabei!