Bundeswehrsoldaten auf einem Flugfeld

dpa/Maurizio Gambarini

Hörspielgalerie

Töten auf Befehl, Morden auf eigene Faust. Ein Hörspiel

Robert Webers Hörspiel „Heinrich, Vorname Hauptfeldwebel“ schildert die fiktive Geschichte im Rahmen einer Gerichtsverhandlung und zeichnet das Psychogramm eines Soldaten, "der selbst zum Krieg geworden ist".

Trostlose Mission

2014, nach 13 Jahren ist für die NATO der Krieg in Afghanistan offiziell vorbei. Bis auf ein Restkontingent haben die Truppen der NATO das Land verlassen. Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, ISAF, war eine Sicherheits- und Wiederaufbaumission unter NATO-Führung während des Krieges in Afghanistan von 2001 bis 2014.

Der schmale Grat

Auch die Soldaten der deutschen Bundeswehr sind nach Hause zurückgekehrt. Heinrich, Mitglied eines Spezialkommandos, gilt als vermisst. Als er sich 2015 den afghanischen Behörden stellt, hat er mehr als 100 Menschen getötet. Heinrich ist der erste Bundeswehrsoldat, der wegen Kriegsverbrechen in Afghanistan angeklagt wird. Wann hat der Scharfschütze den schmalen Grat zwischen Töten auf Befehl und Morden auf eigene Faust überschritten?

Mittelalterlicher Mann mit Brille

privat

Robert Weber

Der Autor hat an dem Stück, inklusive Recherche, zwei Jahre gearbeitet. Dafür hat er sogar schießen gelernt.

Kunstfigur Heinrich

Im Hörspiel verschmelzen sehr viele wahre Begebenheiten, die auf die Figur des Heinrich konzentriert werden: Der Fall Robert Bales etwa. US-Soldat Robert Bales erschoss bzw. erstach in der Nacht zum 11. März 2012 bei Kandahar 16 afghanische Zivilisten - neun Kinder, drei Frauen und vier Männer. Er entging aufgrund eines Schuldeingeständnisses der Todesstrafe und wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Weber nimmt auch Bezug auf die Bombardierung eines Tanklastzuges 2009 durch Oberst Klein, bei dem über 100 Zivilisten, auch viele Frauen und Kinder ums Leben kamen. Klein gab den Befehl, obwohl ihn amerikanische Bomberpiloten darauf aufmerksam machten, dass sie keine bewaffnete Menge erkennen könnten, sondern nur Zivilisten. Mehrmals fragten sie nach, ob sie wirklich die Bomben abwerfen sollten. Klein ist inzwischen zum Brigadegeneral der Bundeswehr befördert worden.

Was fühlt ein Scharfschütze?

Robert Weber interessierte darüber hinaus die mediale Darstellung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan als „Hilfsmission“. Für ihn war auch die psychologische Komponente wichtig. Ein Scharfschütze beobachtet sein Ziel stunden- manchmal tagelang, er lernt es kennen, bevor er abdrückt. Wie geht man damit um? Welche psychischen Voraussetzungen braucht man dafür? Es sei ja etwas völlig anderes, meint der Autor, wenn man eine Drohne steuert, eine Bombe abwirft und das ganze wie ein Videospiel erlebt.

Kein Rührstück

Weber störte auch die Darstellung des traumatisierten, deutschen Bundeswehrsoldaten als Opfer. Die Filme zu dem Thema, die bislang erschienen sind, seien Rührstücke. Er wollte dem etwas entgegensetzen. Einen Bundeswehrsoldaten als Kriegsverbrecher. Heinrich sei zwar Opfer, in dem Sinne, dass er durch den Krieg völlig deformiert wurde, aber er sei eben auch Täter, meint der Autor. „Er sieht den ganzen Sinn eines Krieges nicht ein, der plötzlich, ohne jedes Ergebnis, einfach so abgebrochen wird.“

Den USA und ihren Verbündeten gelang es bis heute nicht, die Taliban zu besiegen und das Land zu befrieden. Die 13-jährige Kampfmission der NATO endete im Dezember 2014.

HUA?

"Das Hauptkontingent verlässt Afghanistan in vier Wochen. Keiner will hier noch irgendwelche Zwischenfälle, wenn wir schon unsere Sachen packen müssen, wollen wir doch mit heiler Haut nach Hause kommen. HUA? - HUA! (Heard, Understood, Acknowledged, Gehört, Verstanden, Bestätigt; ursprünglich nur vom US-Militär verwendet, im Zuge internationaler Einsätze dann von anderen Truppen adaptiert.)

Als Robert Weber an dem Stück schrieb, war nicht klar, dass der Einsatz verlängert werden sollte. Da hieß es, die NATO würde abrücken. Die deutsche Bundeswehr, bis auf ein paar hundert Ausbilder, auch. Jetzt sind 1000 daraus geworden. "Resolute Support" heißt die Nachfolgemission. Im Zuge dieser Mission sind bis heute etwa 12.000 Soldaten und Soldatinnen von NATO-Staaten in Afghanistan stationiert.

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