Chrysta Bell

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Musik

Lebende Legenden beim Blue Bird Festival

Das Singer-Songwriter-Festival präsentiert "Twin Peaks"-Star Chrysta Bell oder Genre-"Patin" Vashti Bunyan von Donnerstag bis Samstag im Porgy & Bess.

Kulturjournal | 22 11 2017

Sebastian Fleischer

Musik bewegt sich in Wellen. Das gilt nicht nur im streng physikalischen, sondern auch im kulturellen Sinn. Die große Singer-Songwriter-Welle etwa brandete erstmals in den 1960er Jahren auf, brachte mehrere Legenden hervor und flaute später wieder ab, um dann zur Jahrtausendwende abermals die Musikwelt zu durchfluten. Im Zuge dieses Genre-Revivals wurde eine gewisse Vashti Bunyan zur Ikone erklärt; ihr Album "Just Another Diamond Day", das in seinem Entstehungsjahr 1970 kaum Beachtung gefunden hatte, gilt heute als Meilenstein.

"Das Album war damals schon gut in seiner Reduktion und Low-Fi-Qualität. Es ist aus der Zeit herausgefallen, später ist die Zeit dort gelandet, wo Vashti Bunyan damals schon war", sagt Klaus Totzler, Kurator des Blue Bird Festivals, das seine Ursprünge übrigens ebenfalls in den frühen Nullerjahren hat - als wichtigstes Produkt der Vienna Songwriting Association, zu der sich der ehemalige ORF-Musikjournalist mit Gleichgesinnten zusammengetan hat.

"Schönster Alien aller Zeiten"

Vashti Bunyan ist heuer einer der Hauptacts des Festivals. Während Songs der britischen Künstlerin zuletzt Eingang in zeitgenössische US-Serien wie "True Detective" oder "Patriot" gefunden haben, ist jene Dame, die das Blue Bird Festival am Donnerstag eröffnen wird, selbst ein Serienstar: Chrysta Bell, vielen womöglich besser bekannt als FBI-Agentin Tammy Preston in der aktuellen Staffel der Serie "Twin Peaks". Deren Schöpfer David Lynch, mit dem Bell lange und intensiv zusammengearbeitet hat, bezeichnet die Sängerin als "schönsten Alien aller Zeiten".

"Chrysta Bell und David Lynch haben ja angeblich beim ersten Kontakt sofort eine Verbindung verspürt, und das spürt man", meint Zweitkuratorin Jenny Blochberger. "Das betrifft vor allem den Glam-Faktor und die Düsternis, die bei beiden vorherrscht."

Heimische Acts mit Zukunftspotential

Szenegrößen wie etwa auch die Schwedin Anna Ternheim, die Deutsch-Brasilianerin Dillon oder das junge britische Frauentrio Girl Ray, das derzeit die Presse begeistert, finden sich im Programm des Blue Bird ebenso wie noch unbekanntere Acts, wobei der Fokus hier traditionell auf österreichischen Künstlern liegt. "Elsa Tootsie and the Mini Band" rund um den Sänger Daniel Schatz etwa lassen ihre musikalischen Vorbilder deutlich hörbar erkennen und schaffen laut Totzler doch etwas ganz Eigenes: "Es ist wie beim Hip Hop oder beim Sampling: Man nimmt Dinge, die man selbst erlebt hat, spürt in sein Leben und mischt sie neu auf. Wenn das stimmig ist und zusammenpasst, kann das Ergebnis großartig sein."

Bei der auch hierzulande florierenden Szene habe man aus dem Vollen schöpfen können, berichten die beiden Kuratoren. Neben Elsa Tootsie and the Miniband sind etwa Saint Chameleon vertreten, ein siebenköpfiges Multiinstrumental-Projekt mit Jazz- und Country-Einflüssen, oder die junge Wiener Band Attic Giant. Bevor letztere das Blue Bird Festival sphärisch-melancholisch ausklingen lässt, betritt noch die Kanadierin Michelle Gurevich die Bühne, auch bekannt unter dem Pseudonym "China Woman".

Subtile politische Botschaften

"Sie hat so eine selbstverständliche und nicht unsympathische Kühlheit in allem, was sie ansingt", schwärmt Totzler. "Die Themen sind unglaublich spannend: Da geht es viel um die Selbstempfindung von Frauen in bestimmten Situationen."

Und damit um ein Thema, das gerade in Zeiten wie diesen auch gesellschaftspolitisch relevant ist. Politik spiele in aktuellen Songtexten übrigens wieder eine größere Rolle, sagt Klaus Totzler - allerdings auch da subtiler und ironischer als noch in den 1970er Jahren. Man muss eben genau hinhören. Die Gelegenheit dazu bietet das Blue Bird Festival ab morgen bis zum kommenden Samstag.