Kaffeebohnen

AFP/INTI OCON

Nicaragua: Göttinnen pflanzen Kaffee

In der Stadt Esteli im Norden von Nicaragua hat vor wenigen Tagen ein neues, chices Kaffeehaus eröffnet. Die Einrichtung edel aus dunklem Holz, in der Vitrine Kuchen und Muffins und im ganzen Lokal der Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Betrieben wird das Kaffeehaus von der feministischen Frauenkooperative "Las Diosas - Die Göttinnen".

Traditioneller Weise gehört der landwirtschaftliche Grund und Boden hier den Männern. Die Frauen dürfen zwar mitarbeiten, aber meist nicht mitbestimmen. Ein omnipräsenter Machismo, der sich auch in innerfamiliärer Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen spiegelt.

Eine der Mitbegründerinnen, die Soziologin Diana Martinez, erzählt von einem traumatischen Erlebnis aus ihrer Kindheit: "Als ich neun Jahre alt war, hatten wir eine Haushaltshilfe. Mein Vater hat sie vergewaltigt und diese Frau hat sich mir anvertraut."

Das nächste Mal, als Dianas Mutter nicht zu Hause war, habe der Vater wieder versucht, die Hausangestellte zu vergewaltigen. "Sie hat mich um Hilfe gerufen, ich hab sie an der Hand genommen, und wir sind aus dem Haus gelaufen und haben bei einer Tante, die ein paar Straßen weiter gewohnt hat, Schutz gesucht."

Die "Göttinnen" betreiben öko-soziale Landwirtschaft.

Die "Göttinnen" betreiben öko-soziale Landwirtschaft.

ORF/ALEXANDRA MANTLER

Feministische Schwesternschaft

Das Sprechen über die eigenen schmerzvollen Erfahrungen habe die Frauen zusammengeschweißt zu einer Schwesternschaft, erklärt Martinez. Sie haben sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen, Felder gekauft, die sie gemeinsam bewirtschaften, und erzielen vor allem durch Kooperationen mit europäischen Organisationen, die auf fair gehandelten Kaffee Wert legen, gute Gewinne.

Die 19-jährige Anabell Castro Jarquin baut sich als Kaffeebäuerin eine eigene Existenz auf.

ORF/ALEXANDRA MANTLER

Die 19-jährige Anabell Castro Jarquin baut sich als Kaffeebäuerin eine eigene Existenz auf.

Und mit Bildung, mit Alphabetisierungsprogrammen für Erwachsene ebenso wie Stipendien und Nachhilfe-Netzwerken für Jugendliche, arbeiten sie daran, dass die nächste Generation von Frauen einmal bessere Startbedingungen vorfindet.

Eigene Herrin

Eine, die davon schon profitieren kann, ist die 19-jährige Anabel Castro Jarquin. Sie hat nach der Trennung ihrer Eltern mit ihrem Vater in Costa Rica gelebt. Nun ist sie nach Nicaragua zurückgekehrt und lernt von ihrer Großmutter den Kaffeeanbau. Von der Frauenkooperative hat sie ein Stück Land bekommen und baut sich eine eigene Existenz auf.

Auswandern wie ihr Vater wolle sie nicht, erklärt Anabel, und "irgendwo anders als unterwürfige Haushaltshilfe für einen Kapitalisten schuften". Dort bekäme man höchstens ein mieses Gehalt und werde mies behandelt. "Ich habe meinen Platz gefunden, ich bin unabhängig und ich bin meine eigene Herrin."

Unterstützt wird die feministische Kooperative - und hier vor allem die Bildungsarbeit - auch aus Mitteln der österreichischen Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der katholischen Jungschar. Noch für ein zweites Projekt in Esteli sammeln die Sternsinger in diesem Jahr ganz besonders: für ein Kunstprojekt für Kinder und Jugendliche.

Die Zigarrenfabriken haben der Stadt Esteli wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch soziale Probleme gebracht.

Die Zigarrenfabriken haben der Stadt Esteli wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch soziale Probleme gebracht.

ORF/ALEXANDRA MANTLER

Stadt im Aufschwung

In und um Esteli gibt es zahlreiche Zigarrenfabriken, die Stadt befindet sich im wirtschaftlichen Aufschwung. Das bringe zwar bessere Schulen und eine bessere Gesundheitsversorgung mit sich, verursache aber auch soziale Probleme: Viele Eltern hätten neben der Fabriksarbeit zu wenig Zeit, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Diese seien oft den ganzen Tag sich selbst überlassen, erzählt etwa Anabel García Blandón, die Leiterin des Kinder-Kunstprojektes "Funarte".

Die Wandbilder von "Funarte" findet man in der ganzen Stadt. Diana zeigt den Affen, den sie gestaltet hat.

Die Wandbilder von "Funarte" findet man in der ganzen Stadt. Diana zeigt den Affen, den sie gestaltet hat.

ORF/ALEXANDRA MANTLER

Bei dem Kunstprojekt "Funarte" setzen sich die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit spielerisch mit Themen wie Umweltverschmutzung, Gewalt oder dem Recht auf Bildung auseinander, etwa in Form einer Fantasiereise: Weiße Plastiksessel stehen wie Busreihen aufgestellt. Jedes Kind hat eine selbstgebastelte Fahrkarte, nimmt Platz, dann geht die Fahrt los. Schließlich nehmen die Kinder auf dem Fußboden Platz, große Blätter Zeichenpapier vor sich, Pinsel und bunte Farben. Und dann wird das eben in der Fantasie Erlebte künstlerisch umgesetzt. Doch nicht nur hier auf dem Papier, sondern auch in der ganzen Stadt Esteli in Form von bunten Wandmalereien.

Diana im Selbstporträt

Die 15-jährige Diana erzählt, sie habe bei Funarte gelernt, ihre Gefühle mit Hilfe der Kunst auszudrücken. Stolz präsentiert sie ein Selbstporträt und eine Wandmalerei, an der sie mitgearbeitet hat. Das Bild stellt vom Aussterben bedrohte Tierarten in Nicaragua dar.

Mit Musik und Trillerpfeifen protestieren die Kinder von Funarte gegen die Zerstörung der Fauna und Flora ihrer Heimat Nicaragua.

Mit Musik und Trillerpfeifen protestieren die Kinder von Funarte gegen die Zerstörung der Fauna und Flora ihrer Heimat Nicaragua.

ORF/ALEXANDRA MANTLER


Für diese wird am selben Abend auch noch demonstriert: Die Kinder und Jugendlichen haben sich als Tiere verkleidet und mit Musik und Trillerpfeifen ziehen sie lärmend durch die Stadt Esteli - mit dem Ziel, sich für etwas einsetzen, um aus der eigenen Ohnmacht auszubrechen.

Service

Dreikönigsaktion - Hilfswerk der katholischen Jungschar