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Kampf gegen Facebook

Die Internet-Riesen schlafen auch nicht

Wie schaffen wir es, dass auch in zehn, zwanzig Jahren noch österreichische Inhalte im Netz auffindbar sind und die US-Internetkonzerne nicht alles okkupieren? Eine wichtige Frage, die im Zentrum der Debatten auf der Medienenquete der Bundesregierung gestanden, aber nicht wirklich zufriedenstellend beantwortet worden ist. Die einen wollen eine Super-Mediathek, die anderen gar "das nächste Facebook". Konkret ist noch gar nichts.

Es ist ja nicht so, dass es keine Kooperation gäbe - der ORF ist mit den Zeitungen im besten Einvernehmen. Print-Kollegen haben regelmäßige Auftritte in der Pressestunde auf ORF 2 und in den Runden der Chefredakteure auf ORF III. Und nicht zu vergessen: die Austria-Videoplattform, über die die Zeitungen vom ORF kostengünstig mit Bewegtbild versorgt werden, das die Zeitungen dann auf ihren Online-Portalen ausspielen können.

Alexander Wrabetz

Alexander Wrabetz

APA/HANS PUNZ

Österreich-Player powered by ORF?

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz will das jetzt viel größer aufziehen. Wenn die Online-Beschränkungen für den ORF fallen, was die maßgeblichen Leute beider Regierungsparteien befürworten, dann soll es einen neuen ORF-Player geben. Mit längerem Zugriff auf alle Sendungen, Einbindung auch der Radio-Player und spezielle Zusatzangebote nur online etwa für Kinder. Diese reichweitenstarke Plattform könnte der Nukleus für einen Österreich-Player werden, der für alle österreichischen Medien das Tor ins Internet sein soll, so die Überlegung.

Puls4 holt "Krone" ins echte Fernsehen

Der stärkste direkte Mitbewerber des ORF im Fernsehbereich, Puls4, hat sich da allerdings gleich einmal skeptisch gezeigt und gemeint, so eine bessere TV-Thek werde wohl nicht reichen. Puls4 macht lieber gemeinsame Sache mit der "Kronen Zeitung" und überträgt neuerdings deren Online-Talkformat #brennpunkt auf ATV, also im richtigen Fernsehen. Puls4, das zum deutschen ProSieben.Sat1-Konzern gehört, hat den Privatsender ATV 2017 gekauft und muss derzeit noch strenge Auflagen der Wettbewerbsbehörde einhalten. Kooperation mit der auflagenstärksten Boulevardzeitung ist dem Puls4-Konzern natürlich unbenommen.

Deutschland sucht die Super-Mediathek

Sehr wohl über eine Super-Mediathek diskutiert wird gerade in Deutschland. Dort hat die Idee der Vorsitzende der öffentlich-rechtlichen ARD, Ulrich Wilhelm, eingebracht. Die Zeitungen stehen der Idee vorsichtig positiv gegenüber, die Privatsender sind eher zurückhaltend. Wilhelm, der der Chef des Bayerischen Rundfunks ist, möchte Inhalte von ARD, ZDF und Deutschlandradio - also der Öffentlich-Rechten - mit Qualitätsinhalten der Zeitungen und auch der Privatsender zusammen auf eine Plattform stellen. Das Ziel: irgendwann in der Zukunft den Giganten aus dem Silicon Valley Paroli bieten. Also eine deutsche, am besten aber gleich europäische Alternative zu Google, youTube und Facebook aufbauen. Das Wort vom "ARD-Facebook" ist schon gefallen.

Fonds für Innovationen im Netz?

In Österreich hat Puls4 die Debatte vom "Next Facebook" angestoßen - und der Medienminister hat den Ball aufgenommen, ist aber unkonkret geblieben, was das genau werden soll. Verfechter der Idee wie Puls4-Chef Markus Breitenecker wollen, dass der ORF aus seinen Werbeeinnahmen einen Fonds speist, mit dem Netz-Innovationen finanziert werden sollen. Es ist auch die Rede von Zusammenarbeit der europäischen Fernsehstationen - der privaten und der öffentlich-rechtlichen untereinander -, um eine entsprechende Schlagkraft gegen die US-Internetkonzerne zu bekommen.

Die Armada von Facebook-Forschern

Für die Tech-Journalistin Sarah Kriesche sind das schöne Visionen, die sich aber kaum umsetzen ließen. Es sei naiv zu glauben, dass die Internetkonzerne aus dem Silicon Valley nicht schon längst selber am "Next Facebook" arbeiten, sagt Kriesche: "Ob das dann in Zukunft Gesichtserkennung ist, das selbstfahrende Auto, ein Sprachassistent oder etwas, das jetzt noch nicht einmal mir einfällt: Im Hintergrund sitzen jede Menge Forscherinnen und Forscher, die nichts anderes machen, außer an eben dieser Zukunft zu arbeiten."

Sarah Kriesche

JOANNA PIANKA

Sarah Kriesche

Die Tech-Journalistin Sarah Kriesche im #doublecheck-Gespräch über das Phantom "Next Facebook".

Nischendienste führen Schattendasein

Wenn etwas aufkomme, das den Internetkonzernen gefällt, dann werde das im Übrigen einfach gekauft, so Kriesche. Sie verweist etwa auf WhatsApp und Instagram, das längst zu Facebook gehört. "Und andere Modelle von Diensten, die jetzt sagen, wir schützen die Privatsphäre mehr, wir haben mehr Respekt für den User – die gibt es ja schon längst, manche sind auch schon wieder verschwunden.“ Es sei immer schwer, gegen ein bestehendes, gewaltiges System anzukommen: „Alle wollen immer dorthin, wo alle sind", sagt Kriesche.

"Das ist ja auch ein Disneyland"

Facebook, das weltweit mehr als zwei Milliarden User hat, sei aber nicht nur wegen der schieren Größe kaum zu schlagen. Es sei für die Menschen auch viel mehr als ein Netzwerk mit Freunden und ein Nachrichtenkanal, nämlich ein Riesen-Disneyland der Unterhaltung – durch die angebotenen Zusatz-Apps. Sarah Kriesche: "Wenn ich auf den Bus warte oder auf einen Bekannten, dann schau ich kurz aufs Handy – und da schau ich nicht nur, was die anderen machen, da werden auch Spiele angeboten. Zum Beispiel diese berühmten Psychotests."

Öffentlich-rechtlicher Gegenentwurf

Aufgabe vor allem der Öffentlich-Rechtlichen sollte es weniger sein, ein besseres Facebook machen zu wollen. Denn das biete immer nur eine Momentaufnahme. Medienhäuser wie der ORF müssten ihre Archive nützen und den Menschen Nachhaltigkeit bieten, so Sarah Kriesche. Dass Medienminister Gernot Blümel auf die Frage, was denn das nächste Facebook sein könnte, die Blockchain-Technologie ins Spiel gebracht hat, lässt die Fachjournalistin übrigens etwas ratlos zurück: "Die Blockchain beschreibt nichts anderes als eine Datenbank. Als einfache Faustregel kann man immer, wenn man das Wort Blockchain liest, das Wort durch den Ausdruck 'dezentrale Buchführung' ersetzen. Das nächste Facebook ist demnach die dezentrale Buchführung – da kann jeder selbst entscheiden, ob das für ihn oder sie Sinn ergibt."

Sarah Kriesche über die Blockchain-Technologie, die der Medienminister als das nächste Facebook sieht.

Die Ankündigung der Digitalsteuer

Ein zentraler Diskussionspunkt bei der Medien-Enquete war auch die Google- und Facebook-Steuer, also eine Digitalsteuer, die auf die Erlöse der US-Plattformen eingehoben werden soll. Diese Idee ist ja alles andere als neu: Weil die US-Konzerne keinen Sitz in Österreich haben und deshalb dem Zugriff der Finanz entzogen sind, soll das Modell der digitalen Betriebsstätte greifen. Sprich: besteuert wird dort, wo die User sind - und besteuert werden keine Waren, sondern digitale Leistungen wie Online-Werbung und die Verwertung von Benutzerdaten. So steht es in einer Medieninformation vom Wochenende, da hat die Regierung die Facebook-Steuer wieder einmal groß angekündigt, ohne sich über die Umsetzung im Klaren zu sein.

Rechte wittern Facebook-Verschwörung

So zäh und wenig aussichtsreich der Kampf gegen die Internet-Riesen ist, eines hat er schon bewirkt: Die sogenannten alternativen Medien wittern eine große Facebook-Verschwörung des Establishments, mit der eigentlich sie selbst getroffen werden sollen. Denn Plattformen wie "unzensuriert.at" und "wochenblick.at" verbreiten ihre zum Teil hetzerischen und sehr oft manipulativ konstruierten Inhalte via Facebook oder werden von freiheitlichen Politikern auf deren starken Facebook-Seiten verbreitet.

FPÖ-Landesrat in Sorge um Strache-Fans

Würde dieser Ausspielweg wegfallen, wovon ja überhaupt keine Rede ist, dann würde diese Plattformen kaum noch jemand wahrnehmen. So ist deren Aufschrei erklärbar. Unterstützt hat den übrigens auch der Oberösterreicher Elmar Podgorschek - der FPÖ-Landesrat ist im Mai vor der AfD Thüringen aufgetreten und hat dort unter anderem das gesagt: "Unser Bundesparteiobmann Strache hat Likes von 775.000 Personen und das in einem Land von acht Millionen Einwohnern. Damit kann er unmittelbar mit den Bürgern kommunizieren – und jetzt wissen Sie auch, warum Facebook von gewissen Kreisen so angegriffen wird."

"Sind dabei, den ORF zu neutralisieren"

In dem Vortrag ging es um Tipps für die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland", was zu tun sei, um regierungsfähig zu werden. Die AfD sitzt seit der Wahl 2017 auch im Bundestag. Bei der Gelegenheit hat Podgorschek auch bemerkenswert klar zum Ausdruck gebracht, was aus seiner Sicht mit dem ORF zu tun sei. "Was wir aus meiner Sicht unbedingt durchführen müssen – wir sind mitten darunter – ist eine Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird", sagt Elmar Pogorschek, Mitglied der schwarz-blauen Landesregierung in Oberösterreich. Eine Aussage, die nach Veröffentlichung des youTube-Videos von dem Auftritt durch die Wiener Stadtzeitung "Falter" großes Echo in Österreich ausgelöst hat.

Service

Deutschland sucht die Super-Mediathek - "Zeit"-Artikel von Daniel Bouhs

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