Markus Mair

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VÖZ-Präsident Markus Mair

Print zwischen Selbstwert und Mehrwert

Der neue Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen Markus Mair spricht im #doublecheck-Interview mit Nadja Hahn über öffentlich-rechtlichen Mehrwert, die ewig verschleppte Reform der Presseförderung und die lockere Inseraten-Vergabe durch die öffentliche Hand.

Journalismus mit öffentlich-rechtlichem Mehrwert produzieren könne nicht nur der ORF, sagt Markus Mair, neuer Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen VÖZ. "Das heißt nicht, dass wir den Anspruch auf Gebühren stellen", so Mair, aber das System der Presseförderung müsse reformiert werden und jene bevorzugen, die die "Weiterentwicklung der Demokratie, der Republik und der Menschen in diesem Land" unterstützen.

Markus Mair

Markus Mair

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Demokratie-Faktor als Maßstab

Mair ist Vorstandsvorsitzender der Styria-Gruppe – nach ORF und Mediaprint das drittgrößte Medienunternehmen des Landes mit Zeitungen wie "Die Presse" oder "Kleine Zeitung". Mair hat den Vorsitz im Zeitungsverband nach sechs Jahren von "Kurier"-Geschäftsführer Thomas Kralinger übernommen – und dessen Forderungen gleich mit: Mair tritt für eine Verdreifachung der Presseförderung ein. Derzeit liegt sie bei rund neun Millionen Euro jährlich. Mair möchte das bestehende System der Presseförderung – deren Basis eine längst überholte Vertriebsförderung ist - hinterfragen.

Markus Mair im Interview mit Nadja Hahn

Förder-Relationen stimmen nicht

Allein eine Erhöhung der Förderung wäre aber zu kurz gegriffen, so der neue VÖZ-Präsident: "Es schaut dann danach aus, als würden wir praktisch nur nach mehr öffentlichem Geld schreien. Das wäre eine völlig falsche Botschaft." Mair geht es um die richtigen Relationen: Für Kunst- und Kulturförderung liege eine halbe Milliarde Euro in den öffentlichen Kassen bereit, für Medien eben nur neun Millionen. Seit Jahren wurde die Presseförderung nicht angehoben, 2012 und 2014 ist sie sogar gekürzt worden. Und alle Appelle von Zeitungsmachern und Verlagen sind ungehört verhallt.

"Regierungsinserate überdenken"

Dabei fließen eigentlich genug öffentliche Mittel zu den Medien - allerdings meist nach nicht nachvollziehbaren Kriterien, sagt Mair und meint damit Inserate öffentlicher Stellen. "Da geht’s auch um Steuergeld. Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite antreten, um über neun oder 30 Millionen Euro Presseförderung zu sprechen, und auf der zweiten Seite hunderte Millionen über den Bund, die Länder und die Kommunen an Inseratengeld vergeben werden."

Inserate der öffentlichen Hand 2017 vor allem für Boulevard

Gegen sinnlose Werbebotschaften

Komplett verteufeln will Mair die Inserate nicht, mitunter hätten sie ja ihre Berechtigung – und natürlich profitieren alle Blätter davon, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Mair geht es um die Werbebotschaften: "Den Wienern in einer Gratiszeitung zu erklären, dass es eine U-Bahn gibt, ist wahrscheinlich eine sinnlose Kommunikationspolitik, aber daneben Dinge zum Beispiel aus dem Finanzministerium, Thema Lohnsteuerausgleich, über Medien zu kommunizieren, mag sehr sinnvoll sein." Es brauche eine Debatte über die Inhalte von Einschaltungen.

Am meisten von öffentlichen Inseraten profitiert der Boulevard rund um die "Krone", "Heute" und "Österreich", die zwei Gratisblätter sind übrigens nicht Mitglieder im Zeitungsverband.

Mair fordert im Interview eine neue Debatte über politische Inserate

Öffentliches Geld für Qualität

Der VÖZ-Präsident unterstützt die Forderung, wonach die Presseförderung – zumindest teilweise – nach Qualitätskriterien vergeben werden soll. Konzepte dazu liegen seit Jahren in der Schublade. Markus Mair nennt die Ausbildung der Journalistinnen und Journalisten, die Einhaltung des Presse-Ehrenkodex, aber auch die Art der Inhalte als Kriterien, die bei der Vergabe von Fördergeld ausschlaggebend sein sollen. Wer beispielsweise Korrespondenten im Ausland beschäftigt, soll mehr aus dem öffentlichen Topf bekommen.

Rund 9 Mio. Euro Presseförderung


"Schluss mit politischen Deals"

In Richtung ORF kommen von Mair klare Ansagen. Es brauche eine "Neuformulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags", findet der Verlegerchef, und zwar mehr als nur "kosmetische Anpassungen". Die Erfahrung zeigt: Wenn der VÖZ Zugeständnisse vom ORF fordert, dann werden anderorts Angebote gemacht – und umgekehrt. So hat zumindest Medienpolitik in Österreich jahrzehntelang funktioniert. Doch dieses "Abdealen" – du bekommst das, wenn ich jenes erhalte – sei der Stil der vergangenen Jahre. "Dagegen verwehre ich mich schon", sagt Mair und demonstriert ein neues Print-Selbstbewusstsein. Man könne doch auch einfach einmal etwas neu gestalten.

VÖZ-Präsident Mair im Interview über denTauschhandel in der Medienpolitik

Blaue ORF-Seite soll schrumpfen

Ein Dorn im Auge war den Zeitungen immer schon ORF.at, die berühmte und erfolgreiche blaue Seite im Netz. Für Mair geht der öffentlich-rechtliche Sender hier zu weit: "Der ORF ist digital nicht wie in Deutschland ausschließlich programmbegleitend, sondern er führt ein Nachrichtenportal, in dem er sehr stark mit Text und Bild, angereichert mit Video, etwas macht, das privatwirtschaftlich so gar nicht darstellbar wäre. Niemand von uns kann sich eine solche Plattform leisten." Der ORF solle in seinen Online-Angeboten auf eine reine Fernseh- und Radioprogramm-Begleitung schrumpfen, wünscht sich der neue VÖZ-Präsident.

Kampf um Hirnschmalz-Richtlinie

In der Debatte um die EU-Copyright-Richtlinie verteidigt Markus Mair das geplante Leistungsschutzrecht für Printverlage. "Wir erarbeiten täglich in unseren Medienhäusern wertvolles Gut, da ist viel Hirnschmalz und Recherchearbeit drinnen." Das sei nicht austauschbar, und das soll auch nicht jeder verwenden dürfen, sagt der VÖZ-Präsident.
Das EU-Parlament hat am Donnerstag das Verhandlungsmandat für die Richtlinie mit knapper Mehrheit abgelehnt. Damit ist die Entscheidung auf September vertagt, die Materie geht zurück in den Ausschuss. Die Richtlinie hätte neben einem Upload-Filter auch ein Leistungsschutzrecht vorgesehen, das es etwa Google verbieten würde, ohne Erlaubnis bzw. Geld Überschriften oder kurze Ausschnitte von Artikeln in ihren Suchergebnissen anzuzeigen.

Markus Mair zur EU-Copyright-Initiative

Mair wünscht sich eine selbstbewusste europäische Verhandlungsposition gegenüber Google und Facebook, da gehe es ums Prinzip: "Wenn wir das freigeben, wenn wir das fallen lassen, dann brechen irgendwann die Dämme und all das, was wir produzieren, sinkt im Wert, ist austauschbar und andere verdienen damit Geld", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair.

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