Popfest Wien

SIMON BRUGNER

popfest wien

Pop mit erweitertem Einzugsgebiet

Heute beginnt die neunte Ausgabe des Wiener Popfests auf dem Karlsplatz, auf dem auch heuer wieder die sogenannte Seebühne zur schmucken Auslage des Popschaffens abseits des Formatradios umgestaltet wird. Das ist dann auch das Selbstverständnis des viertägigen Treibens, dieses Jahr kuratiert von der fm4-Journalistin Katharina Seidler und dem Nino aus Wien, Nino Mandl. 60 Bands werden auftreten, darunter auch einige Überraschungen wie Songcontest-Veteran Tony Wegas. Hauptaugenmerk liegt aber auf der aktuellen heimischen Szene - und die präsentiert sich auch abseits medial gefeierter Bands äußerst lebhaft und vital.

Morgenjournal | 26 07 2018

David Baldinger

Die neue heimische Pop-Generation wollte man vor den Vorhang bitten - 2010 als das Popfest erstmals in Szene gesetzt wurde. Acht Jahre später und ein Jahr vor der Jubiläumsausgabe zum ersten Popfest-Jahrzehnt hat sich das künstlerische Einzugsgebiet vergrößert. Naked Lunch etwa sind längst grau melierte Paten der Szene - und passen mit "Special Guest“ Gustav dennoch perfekt ins Popfest 2018. Für die Kuratoren Katharina Seidler und Nino Mandl markierte die Kärntner Band ein erstes Erfolgserlebnis. "Beim allerersten Spritzer haben wir über Naked Lunch gesprochen", erinnert sich Seidler. "Wir beide lieben diese Band und haben sie uns echt gewünscht. Sie haben auch noch nie am Popfest gespielt – das hat gleich geklappt."

300 Initiativbewerbungen

Wahrscheinlich hat derzeit niemand einen besseren Eindruck vom aktuellen Musikgeschehen "abseits des Hitradio-Airplays" wie es im Popfest-Selbstverständnis heißt als Seidler und Mandl. Die beiden sahen sich einer Flut an Initiativbewerbungen gegenüber. Nino Mandl schätzt die aktuelle Szene als "sehr lebendig und bunt" ein – selbst der Musiker war überrascht.

300 Bands wurden von sich aus vorstellig. Gefälligkeit war dabei kein Kriterium für Seidler und Mandl, die ihrem Publikum etwas zutrauen wollen. "Das habe ich in meinen vielen Jahren auf Festivals gelernt, dass man dem Publikum mehr zutrauen kann als man denkt", sagt Seidler. Und Nino Mandl stimmt zu. Seine Idee war es auch erstmals eine eigene Lyrik-Bühne anzubieten. Auch die Klänge von Sea Urchin, einer Band die morgen aufspielen wird, sind alles nur kein Faserschmeichler-Pop.

Debütanten, spielt’s auf!

Nino Mandl freut sich besonders auf die vielen Debütanten, die es auch dieses Jahr zu entdecken gilt, Lukas Antos etwa, Schweiffels oder Jung an Tagen. Die größte Auslage bietet erneut die Seebühne vor der Karlskirche - auch dort hat Sicherheitsdenken keinen Platz. "Es spielen zumindest zwei Bands auf der Seebühne, die keiner noch wirklich kennt", meint Mandl. "Pauls Jets zum Beispiel. Das wird sein erster großer Auftritt." Von Pauls Jets gibt es bisher nur zwei YouTube Singles.

"Zweimal Song-Contest und viele schöne Lieder" - Tony Wegas

Nach 40.000 Besuchern im Premierenjahr hat sich das Gratis-Festival mittlerweile bei gut 60.000 Besuchern eingependelt. Und die bekommen neben frischen Klängen auch alte Meister zu hören. Nino Mandl will vor allem einen rehabilitieren: Tony Wegas. "Er ist wirkich ein guter Sänger und er ist Pop", stellt Mandl klar. "Zweimal Song-Contest und viele schöne Lieder – ich gehe davon aus, dass die Leute ihn mit Respekt anschauen werden und ihm zuhören werden." So wie die Stadt selbst sich wandelt ändert auch das Popfest seinen Charakter. Solange aber Platz bleibt für Nischen und solange dem Publikum keine klebrig-süße Popware von der Stange vorgesetzt wird vibriert der Karlsplatz und ist dieses Festival eine Bereicherung.

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