Joaquin Phoenix

2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC/SCOTT PATRICK GREEN

Kalkulierte Tabubrüche

"Don't Worry" - Biopic über John Callahan

Provozieren und zugleich sein eigenes Schicksal als Rollstuhlfahrer thematisieren, das wollte der US-amerikanische Karikaturist John Callahan mit vielen seiner eigenwilligen Zeichnungen. 2010 ist der aus Portland stammende Callahan im Alter von 59 gestorben. Jetzt hat US-Regisseur Gus van Sant diese Biografie unter dem Titel "Don't Worry - Weglaufen geht nicht" verfilmt.

Ein Mann springt aus dem Fenster, am Ohr sein Telefon: "Hallo ist dort die Selbstmord-Hotline? Ich wollte nur sagen, ich hab es mir anders überlegt", Zwei Cowboys haben sich zum Duell aufgestellt, der Eine hat keine Arme, der Andere ruft ihm zu: "Sei kein Idiot, Billy!". Und nochmals in den Wilden Westen: Drei Sheriffs stehen in der Wüste vor einem leeren Rollstuhl, dazu der Kommentar: "Keine Sorge Männer, zu Fuß wird er nicht weit kommen."

Kalkulierte Tabubrüche

Die Cartoons des querschnittgelähmten John Callahan (Joaquin Phoenix) sind bitter sarkastisch, oft zeigen sie körperlich beeinträchtigte Personen in misslichen Lagen, aus denen ihnen Callahan mit dem Zeichenstift sicherlich nicht heraushelfen will. Im Gegenteil: Tabubrüche und kalkulierte Unverschämtheiten waren der Antrieb seiner krakeligen Zeichnungen, die das Leserpublikum der Oregoner Wochenzeitung "Willamette Week" oder des "Penthouse" spaltete: Große Begeisterung und heftige Ablehnung.

Alkoholsucht seit Jugendjahren

Man muss Callahans Karikaturen als Spiegel seiner Existenz sehen und vor allem seiner alles prägenden Alkoholsucht seit Jugendjahren: Autounfall im Suff, in der Folge ein Leben im Rollstuhl, der Kampf gegen den Alkohol. "Der Alkohol war seine eigentliche Behinderung", meint Hauptdarsteller Joaquin Phoenix.

Regisseur Gus van Sant hat aus Callahans Schicksal ein recht konventionelles Biopic und Charakterporträt gemacht: Aufbäumen und Sich-Gehen-Lassen, ein störrische Persönlichkeit mit asozialer Tendenz, Herausforderungen bei der körperlichen Rehabilitation, eine in Ansätzen gelungene Partnerschaft, und ausführliche Gespräche bei den "Anonymen Alkoholikern".

Auffrisierte Autobiografie

Ganz im Sinne Callahans hält der Film Tragik und sarkastische Heiterkeit in der Balance. Als Drehbuch-Vorlage diente Autobiografie des Zeichners, wobei er seine Erlebnisse und Geschichten nachweislich auffrisierte, wie Regisseur Gus van Sant anmerkt. Und: "Daran haben wir auch nicht viel geändert."

Eine Flasche Wodka auf einem Regal, unerreichbar für den dürstenden Mann im Rollstuhl davor, minutenlange Qual, minutenlanges Ringen mit sich selbst. In nur raren Momenten wird Verzweiflung spürbar, kommt der Film - auch dank Hauptdarsteller Joaquin Phoenix - den dunkelsten Augenblicken dieses Lebens wirklich nahe.

Service

New York Times - John Callahan, Cartoonist, Dies at 59

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger