Besucher im Dorotheum bei der Vienna Art Week

ESEL/ JOANNA PIANKA

Kunst

Künstliche Paradiese: Vienna Art Week

Bereits seit 2004 präsentiert sich der Kunststandort Wien im Rahmen der Vienna Art Week. Heuer geht das Erfolgsformat mit dem Generalthema "Promising Paradise" in die nächste Runde. In Diskussionen, Performances und Ausstellungen untersuchen Kuratoren, Kritikerinnen, Künstler und Künstlerinnen die Frage, wie sich der religiös aufgeladene Paradiesgedanke in der Welt von Kunst und Politik fortpflanzt.

Mittagsjournal | 19 11 2018

Christine Scheucher

Kulturjournal | 19 11 2018 | RoseLee Goldberg

Christine Scheucher

Längst pumpen sie Milliarden in die Erforschung der Unsterblichkeit, träumen von gentechnisch optimierten Cyborgs, deren Körperfunktionen mittels Chipimplantat überwacht werden. Im Silicon Valley lebt der Traum vom künstlichen Paradies auf Erden, das die Menschheit von den Geißeln Alter, Tod und Verfall befreit.

Der prominenteste Verfechter dieser Vision ist derzeit wohl Pay-Pal-Gründer und Donald-Trump- Fan Peter Thiel, der sich bereits jetzt das Blut junger Menschen injizieren lässt, um sein biologisches Alter zu manipulieren. Es überrascht nicht: Sollte das vermeintliche Paradies auf Erden jemals Wirklichkeit werden, so wird es einigen wenigen Milliardären vorbehalten bleiben. Wie nie zuvor werden sich Klassenunterschiede in die Körper einschreiben.

Himmel und Hölle

"Wir widmen uns den verschiedenen Facetten des Paradiesversprechens. Zum Beispiel wird sich der niederländische Künstler Joep van Lieshout mit den utopischen Versprechen im Zeitalter der Digitalisierung auseinandersetzen", sagt Robert Punkenhofer, künstlerischer Leiter der Vienna Art Week, die sich in diesem Jahr dem Generalthema "Promising Paradise" widmet und fragt, wie der ursprünglich religiös verbrämte Paradiesbegriff in Kunst und Politik fortgeschrieben worden ist.

Nach dem viel zitierten Ende der Geschichte, als der real existierende Sozialismus 1989 abdankte, setzte der Kapitalismus seinen globalen Siegeszug fort. Sind die politischen Spielarten des Paradiesgedankens also endgültig in Misskredit geraten? "Wir verstehen den Paradiesgedanken auch politisch und beziehen uns nicht zuletzt auf Karl Popper, der gesagt hat: "Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle", so Robert Punkenhofer.

Ein Freistaat der Kunst

In der Kunst freilich hat die politische Utopie überlebt. Der niederländische Künstler Joep van Lieshout, der im Museum für Angewandte Kunst zu Gast sein wird, gründete 2001 einen unabhängigen Staat im Hafen Rotterdams. In AVL Ville gab es eine eigene Währung und eine Verfassung, in der das Recht auf künstlerische Freiheit verankert war. Auflagen der Behörden und nicht zuletzt das große mediale Interessen führten schließlich zum Scheitern der gelebten Gesellschaftsutopie. "Mein ganzes Leben war öffentlich. 16 Stunden am Tag stand ich unter Beobachtung. Auf die Dauer war dieser Zustand eine große Belastung für mich", erinnert sich Joep van Lieshout. Er ist einer von vielen prominenten internationalen Gäste, die Wien im Rahmen der Vienna Art Week besuchen. Diese lädt bis 25. November zu Diskussionen, Performances und Spezialführungen.

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