Sabine Haupt

HELMUT WIMMER

Kunsthistorisches Museum

"Ganymed" lädt zu Liebesparcours

Zum insgesamt bereits zehnten Mal, zum sechsten Mal im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM), findet die Veranstaltungsreihe "Ganymed" statt. Nach "Ganymed Nature" im Vorjahr steht diesmal die Liebe im Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung - "Ganymed in Love" nennen Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf, die für Inszenierung und Produktion verantwortlich sind, die aktuelle Ausgabe.

Auch bei "Ganymed in Love" setzen sich wieder Künstlerinnen und Künstler literarisch, musikalisch oder szenisch mit je einem Gemälde aus den Beständen des KHM auseinander. Das Publikum kann dann durch das abendliche Museum schlendern und auf dem Kunst-Parcours einmalige Konstellationen und sinnliche Synergien erleben.

Kulturjournal | 07 03 2019

David Baldinger

So richtig einfach ist die Liebe ja ohnehin nur in den seltensten Fällen oder in Hollywood-Filmen. Wohl auch ein Grund dafür, dass sich Ganymed erst in seiner zehnten Jubiläumsausgabe diesem kolossalen Urthema der Kunst widmet. "Die Liebe ist ein unglaublich komplexer Begriff", meint Produzent Peter Wolf. "Nicht umsonst sind Meisterwerke ja auch etwas, das sich dem einfachen Zugang verwehrt." Gleichzeitig ist die Liebe für Jacqueline ein fast unwiderstehlicher roter Faden. "In jedem zweiten Bild geht es um die Liebe der Mutter oder die Liebe des Vaters, aber eben auch um die gesellschaftliche Liebe, also die Empathie. Darauf bin ich angesprungen, da dachte ich: Das ist mein Thema!"

Franz Schuh

HELMUT WIMMER

Franz Schuh

Die Sedimentschichten der Liebe

"Ganymed in Love" will Liebes-Konstellationen sezieren. Vom Liebespaar über die Familie bis zur Gesellschaft und deren kollektives Aushandeln des politischen Kapitals und der Rolle von Liebe. An insgesamt zwölf Stationen entwirft Ganymed eine Topografie der unterschiedlichsten Sedimentschichten dieses emotional so komplexen Konglomerats. "Es ist in diesem Projekt tatsächlich so, dass sich der Autor oder die Autorin das Bild in der Gemäldegalerie aussucht", erklärt Wolf zum Aufeinandertreffen von Gemälde und Künstlern. "Nur deswegen funktioniert es auch so gut. Es gibt also keine Vorgaben."

Zu sehen und zu hören sein werden insgesamt 30 Künstler und Künstlerinnen von den Musikern Martin Eberle, Lukas Lauermann und Manu Mayr bis zum Philosophen Franz Schuh. Noch wird in den Räumlichkeiten am Wiener Ring intensiv geprobt. Die junge Schauspielerin Johanna Prosl etwa führt vor dem Gemälde "Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers" von Joseph Heintz einen Text der belgischen Autorin Lize Spit auf. Mit Riesen-Teddybear, barfüßig und im rosa getupften Pyjama. "Da geht’s um ein Mädchen, das in der Nacht sieht, dass ihr Vater sich am Computer einen Porno anschaut. Das Mädchen erschrickt, läuft weg, der Vater kommt ihr aber nach, und es kommt zu einer sehr prekären Situation", sagt Kornmüller über den Text der belgischen Autorin.

Blockbuster-Thema mit Gemäldegalerie-Superstars

Passend zum Blockbuster-Thema zeigt "Ganymed in Love" auch einige größten Namen der Gemäldegalerie. Zu sehen gibt’s unter anderem Raffael, Bruegel, Tizian, Rubens oder einen der drei Caravaggios des Museums. Für Jacqueline Kornmüller sind die alten Meister inzwischen längst Herzensangelegenheit. "Die Auseinandersetzung mit den alten Meistern bewirkt etwas in einem. Ich gehe schon seit zehn Jahren in dieser Galerie herum, und die Bilder sind eigentlich wie enge Freundschaften."

Mira Lu Kovacs

HELMUT WIMMER

Mira Lu Kovacs

Mira Lu Kovacs als Klagefrau

Mira Lu Kovacs ist als Songwriterin schon von Berufswegen Fachkraft in der künstlerischen Be- und Verarbeitung des Rohstoffes Liebe. Ihr Bild passt auf den ersten Blick so gar nicht zur Liebe. Vor 400 Jahren malte Peter Paul Rubens sein "Haupt der Medusa". Ein düsteres Werk, das den abgeschlagenen Kopf der Medusa zeigt. Von Schlangen und Reptilien umzingelt. "Für mich ist die Medusa eine, der es untersagt wurde, zu lieben. Sie kam gar nicht dazu. Gleichzeitig hat sie etwas unglaublich Starkes."

Medusa wurde von Poseidon vergewaltigt, von Athene für ihre Schönheit bestraft und in ein Ungeheuer verwandelt, das jeden der sie erblickte zu Stein erstarren ließ. Schließlich schlägt Perseus ihr den Kopf ab. Eine Figur, die für ihre Schönheit leidet und stirbt. Für Kovacs lebenslang in die Opferrolle verbannt. "Ich sehe mich da als Klagefrau", meint die Sängerin, "die um sie weint und sie fast ein bisschen tröstet. Ich versuche mich selbst zu trösten." Dazu sing sie "Remember Me" - ihre Version von Henry Purcells "When I’m Late in Earth".

Beglückende Inspiration

"Die Leute lieben es, sich bei ‚Ganymed‘ abends frei bewegen zu können", meint Wolf zur Popularität der Reihe. "Sie können eine Szene mehrmals sehen, wenn sie sich darin vertiefen wollen. Das heißt, die Zuschauer können ihre eigene Konzentration finden. Das alleine ist schon etwas Beglückendes." In der Musik wäre "Ganymed in Love" ein Konzeptalbum mit zwölf Stücken, durchdrungen vom Mysterium der Liebe - eine Einladung sich einen Abend lang von alten Meistern in neuem Gewand inspirieren zu lassen.

Gestaltung