Ludovica Hainisch-Marchet

GEMEINFREI/ORF/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG

Erste Kandidatin für Bundespräsidentschaft

Ludovica Hainisch-Marchet

Sie kandidierte am 18. Februar 1951 offiziell und parteilos - und das als erste Frau weltweit - für das höchste Amt im Staate, die Bundespräsidentschaft.

1901 als Ludovica Marchet in Wien geboren, wuchs die Lehrerin und Politikerin in einem wohlhabenden und elitären Elternhaus im dritten Gemeindebezirk auf. Nach der Matura war sie von 1923 bis 1929 im Sekretariat der juristischen Sektion des 1919 gegründeten Völkerbundes in Genf tätig.

"Ich fühlte, was der Österreichische Rahmen braucht: Zuneigung und Versöhnlichkeit, die stete Nähe einer wärmenden und reinen Persönlichkeit; einen fühlenden und klar denkenden, bewegten und zugleich ruhigen Menschen. Warum nicht eine Frau?”

Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatstadt Wien nahm Ludovica Hainisch-Marchet das Lehramtsstudium für Deutsch und Französisch auf. Im Oktober 1935 übernahm Hainisch-Marchet den Vorsitz des Wiener Frauenclubs “CALL”, der die Stimme der Frau in die Öffentlichkeit tragen wollte. Vor ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus nach Schweden gab sie die Zeitschrift “Europa Echo, das Blatt für zwischenstaatliche Verständigung” heraus. Ein Blatt, das warnende Analysen und Beobachtungen des Nationalsozialismus beinhaltete und pazifistisch eingestellt war. Weiters gründete sie die “Internationale Hilfscentrale”, ein grenzüberschreitendes Netzwerk zur Unterstützung von Vertriebenen, Notleidenden und Kranken, das mit den Quäkern und der Caritas zusammenarbeitete.
1949 kehrte Hainisch-Marchet nach Österreich zurück und propagierte den Weltföderalismus, gewaltfreie Erziehung sowie den nachhaltigen Umgang mit der Umwelt. Nachdem der amtierende Bundespräsident Karl Renner 1950 verstorben war, hatte Ludovica Hainisch-Marchet auf der Genfer Versammlung der Weltföderalisten, an der sie Vizepräsidentin der Tagung war, die Einsicht, dass es in Österreichs Politiklandschaft nun endlich Zeit war für eine Frau an der Spitze. Daher kandidierte sie am 18. Februar 1951 offiziell und parteilos - und das als erste Frau weltweit - für das höchste Amt im Staate, die Bundespräsidentschaft. Sie kandidierte unter dem Motto: "Männer haben Kriege verloren, Frauen müssen den Frieden gewinnen." Aufgrund der schwierigen Zeit für Frauen - sie wurde verlacht und diffamiert - erhielt sie nur 2132 Stimmen (0,05 Prozent.
Nach ihrer Niederlage widmete sich Hainisch-Marchet mit der Herausgabe des “Wissen und Gewissen” dem Zeitungswesen zu und plädiert für den Weltfrieden. Außerdem gründete sie zwei Altenheime mit “menschenwürdigem Ambiente” und setzte sich mit ihren Erfahrungen als Lehrerin für eine gewaltfreie und auf die einzelnen Kinder angepasste Erziehung ein.
1953 versucht sie es noch einmal in der Politik und trat als Spitzenkandidatin der “überparteilichen Einigung der Mitte” zur Nationalratswahl an.
Auch hier bleibt Hainisch-Marchet wenig erfolgreich. Ihre letzten großen Projekte setzte sie als Leiterin eines Albert Schweitzer Colleges in der Schweiz um.
Ludovica Hainisch-Marchet starb 1993 im deutschen Überlingen am Bodensee.

“Österreich wird von einer Clique regiert, die sich in ihrer Maßlosigkeit mit dem schlechten Beispiel des anderen rechtfertigt. Dazu bewilligt sie sich selbst Privilegien, sammelt Ämter - ohne sie jemals ausfüllen zu können - und bildet quer durch die Parteien in allen öffentlichen und privaten Institutionen eine Schicht von Großverdienern”.

“Nach meinem besten Wissen und Gewissen ist Politik das Bemühen von jenen wenigen, die an verantwortungsvoller öffentlicher Stelle im Gemeinwesen stehen, ethisch und praktisch so zusammenwirken, dass die vielen an weniger verantwortungsvoller Stelle - denn ein gewisses Maß an Verantwortung trägt schließlich jeder für alle - weitgehend gesichert von Not und Gefahr leben können”
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“Die große, unfassbare Schöpferkraft, die uns als Frau und Mann differenzierte in die Welt gesandt hat, gehört keinem Geschlecht an, Das Göttliche vereint Mutter und Vater in sich. Darum müssen auch Mutter und Vater gemeinsam unsere herrliche weite Welt verwalten. Sorgsam und einfühlend, verantwortungsbewusst. Bisher hat dies die Frau, in den letzten paar tausend Jahren jedenfalls viel zu wenig getan. Sie wurde durch männliche, irrtümliche Lebensauffassungen gehindert, teilweise hinderte sie sich selbst durch Minderwertigkeitsgefühl. Wir brauchen heute die Überzeugung, dass die Welt unsere Heimat ist, und dass sie gehütet werden muss von Frauen und Männern. Darum meine ich auch, dass einem Staatshaushalt eine umsichtige, vernünftige, warmherzige Frau vorstehen müsste und sogar Bernhard Shaw schrieb: ‘Ich schlage Paarwahlen vor, das heißt, an alle, besonders die verantwortungsvollsten Stellen, soll eine Frau und ein Mann gewählt werden’.”

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