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LUCHTERHAND VERLAG

Sachbuch

"1922 - Wunderjahr der Worte"

Der angloamerikanischen Literaturgeschichte gilt 1922 schon lange als Wunderjahr, denn damals erschienen der "Ulysses" von James Joyce und das Langgedicht "The Waste Land" von T.S. Eliot, beides Werke, die eine literarische Revolution bedeuteten. Norbert Hummelt hat den beiden Größen nun in seinem Sachbuch "1922" Rilke und seine ebenfalls damals fertig gestellten "Duineser Elegien" zur Seite gestellt.

"The Waste Land", auf Deutsch "Das wüste Land", räumte 1922 mit allem auf, was bis dato ein Gedicht ausgemacht hatte. Denn T. S. Eliot wechselte wild die Schauplätze, sprang etwa von einem Wolkenbruch am Starnberger See in die Londoner Rush Hour, oder setzte aufgeschnappte Gesprächsfetzen unmittelbar neben Ausflüge in die Mythologie.

Der weltfremde Bankangestellte

"Eliot war als Dichter eigentlich fremd in dieser Welt", sagt Norbert Hummelt. "Das hört man auch in seinem Vortrag, wo sich gar nicht sagen lässt, was für einen Akzent er hat, ob er ein Amerikaner, oder ein Brite ist, das ist ganz merkwürdig."

Dabei ging Eliot, recht bieder, einem Bürojob in einer Bank nach. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, auch eine Zeitschrift herauszugeben, für die er in ganz Europa nach Autoren suchte.

Bei Hesse im Tessin

Norbert Hummelt beschäftigt sich seit seinem Studium mit Eliot und Joyce, die Recherche für sein Buch "1922" hat jedoch auch für ihn einige Überraschungen zu Tage gefördert. "Etwa", so Hummelt, "dass Eliot ins Tessin gefahren ist, um Hermann Hesse für seine Zeitschrift 'The Criterion' zu gewinnen. Hesse hat ja, ebenfalls 1922, seinen 'Siddharta' veröffentlicht, einen Roman, den man auch nicht mit diesem von Eliot, Joyce und Pound dominierten Jahr in Verbindung bringen würde."

Mit Blick auf Deutschland schrieb Hesse damals: "Es ist eine Stimmung wie bei Weltuntergang da."

Das erste "Auswärtsspiel" der Nazis

An den Münchner Kammerspielen wurde 1922 das Stück "Trommeln in der Nacht" des jungen Dramatikers Bert Brecht aufgeführt, im Zuschauerraum hingen Plakate mit der Aufschrift: "Glotzt nicht so romantisch!" Gleichzeitig gewannen aber auch die Nazis immer mehr Unterstützung und Selbstvertrauen.

"Hitler hatte damals so etwas wie sein erstes 'Auswärtsspiel'", sagt Norbert Hummelt. "Er ist damals mit seinen Leuten in den Zug nach Coburg gestiegen und hat dort ein Nationalistentreffen aufgemischt und abends sind sie mit dem Zug wieder heim nach München gefahren, eine ganz gespenstische Szene für mich."

Buchumschlag

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Gigantentreffen in Paris

Mittlerweile sieht James Joyce wegen seines Grünen Stars so schlecht, dass er sich vom Arzt zur Behandlung fünf Blutegel aufs Auge setzen lässt. In Paris isst er mit Marcel Proust zu Abend, ein literarisches Gigantentreffen, bei dem es um die Krankheiten der beiden gegangen sein dürfte, während Virginia Woolf in England der Erfolg von Joyce wurmt und sie als Gegenentwurf zum Ulysses ihre "Mrs. Dalloway" an einem Tag durch London spazieren lässt.

Spannend wie Norbert Hummelt diese Nebeneinander erzählt und wie er abwechselnd in die Teller seiner Protagonist:innen hinein - und weit über deren Tellerrand hinausblickt.

Service

Norbert Hummelt, "1922 - Wunderjahr der Worte", Sachbuch, Luchterhand

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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