David Julius, Ardem Patapoutian und Guido W. Imbens bei der Verleihung der Nobelpreise.

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Dimensionen

Außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen

Jährlich verleihen die Königlich Schwedische Akademie, das Karolinska-Institut und die Schwedische Akademie die Nobelpreise. Sie zeichnen besondere Leistungen in den Bereichen Medizin oder Physiologie, Physik, Chemie, Literatur, Wirtschaft und Frieden aus. Anfang Oktober werden die Nobelpreisträger 2022 verkündet.

Aus diesem Anlass stellt die Ö1 Sendung "Dimensionen" noch einmal die Preisträger des Jahres 2021 vor.

Der Medizin-Nobelpreis 2021

Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten - diese fünf Sinne eröffnen uns einen Zugang zu unserer Umgebungswelt. Ebenso reagiert unser Körper über die Nerven ständig auf Temperatur und Druck. So selbstverständlich und alltäglich diese sensorischen Empfindungen auch sind, war es bis vor relativ kurzer Zeit noch unklar, wie Hitze, Kälte, Schmerz und Druck im Nervensystem zu elektrischen Impulsen umgewandelt werden. Diese Mechanismen schlüssig zu erklären, ist zwei US-amerikanischen Molekularbiologen gelungen: David Julius und Ardem Patapoutian. Dafür belohnt wurden die beiden Forscher mit dem Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.

David Julius nutzte den für die Schärfe von Chilischoten verantwortlichen Stoff Capsaicin, um einen Sensor in den Nervenenden der Haut zu identifizieren, der auf schmerzhaft empfundene Hitze reagiert. Ardem Patapoutian verwendete druckempfindliche Zellen, um eine neue Klasse von Rezeptoren zu finden, die auf mechanische Reize in der Haut und in inneren Organen ansprechen.

Die beiden Wissenschaftler haben mit ihrer Grundlagen-forschung nicht nur Wissenslücken in der Physiologie geschlossen: Ihre Erkenntnisse sind ebenso relevant für die Entwicklung neuer, wirksamerer Therapien und Medikamente, etwa im Bereich chronischer Schmerzen. Sie könnten aber auch für die Weiterentwicklung von Techniken wie Exoskeletten genutzt werden.

Der Physik-Nobelpreis 2021

Nicht immer hält sich die Realität an die Modelle der Physik. Bei der Erderwärmung, die sich in den Klimamodellen von Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann zeigte, war es allerdings so. Umso erstaunlicher ist es, wie spät die Politik (inklusive Nobelpreiskomiteé) darauf reagiert hat. Denn die Computersimulationen des Japaners und Deutschen stammen aus den 1970 und 80er Jahren. Sie ergaben Muster, die einen hausgemachten Klimawandel belegten: Es ist der Mensch, der durch seinen Kohlendioxid-Ausstoß den Treibhauseffekt verstärkt und damit die Erde aufheizt.

Die beiden Klimaforscher, hieß es in Stockholm, erhalten den Physiknobelpreis 2021 für "bahnbrechende Beiträge zum Verständnis komplexer physikalischer Systeme". Solche von vielen Details und Zufälligkeiten bestimmte Systeme gibt es auch in der winzigen Welt der Atome, die Giorgio Parisi erforschte, der die zweite Hälfte der Auszeichnung erhält. Um 1980 gelang es dem Italiener, die ungeordnete Strukturen in amorphen Materialien wie Glas aufzuklären. Seine fundamentalen Erkenntnisse beeinflussten auch die Biologie, die Neurowissenschaften oder das maschinelle Lernen.

Der Chemienobelpreis 2021

Besonders elastische und haltbare Materialien, ideale Energiespeicher in Akkus oder hoch wirksame Medikamente - oft hängen Forschung und Produktion davon ab, dass Chemiker*innen die passenden Moleküle bauen können. Dieses "Bauen" erfordert Katalysatoren, also Substanzen, die die chemischen Reaktionen steuern und beschleunigen, ohne sich selbst dabei zu verändern. In vielen technischen Prozessen übernehmen diese Aufgabe Metalle, in unseren Körpern sind es Enzyme.

Die Chemie-Nobelpreisträger, Benjamin List und David MacMillan, haben eine dritte Art von Katalyse entwickelt: Sie verwenden kleine organische Moleküle für den Prozess, den sie asymmetrische Organokatalyse nennen. Ihre Entwicklung hat "eine große Bedeutung für die pharmazeutische Forschung und macht die Chemie grüner", heißt es in der Begründung des Nobelkomitees.

Der Wirtschafts-Nobelpreis 2021

Gesetzlich festgelegte Mindestlöhne gehören zu den großen Streitpunkten der Wirtschaftspolitik: Die einen wollen damit Ausbeutung und Lohndumping verhindern, die anderen befürchten das Abwandern ganzer Branchen in Billiglohnländer und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Ein Dissens, der auch die Wirtschaftswissenschaften fordert. Groß angelegte Experimente, in denen ein Teil der Beschäftigten Mindestlöhne erhält und der andere Teil nicht, wären wohl aus Sicht der Probandinnen und Probanden untragbar.

Den Preisträgern des Preises der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften 2021 im Gedenken an Alfred Nobel ist es gelungen, diese Pattstellung zu umgehen. Die Arbeitsökonomen David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens konnten Methoden entwickeln und anwenden, um Vorgänge am Arbeitsmarkt zu analysieren und die kausalen Zusammenhänge in nicht-naturwissenschaftlichen Disziplinen aufzeigen. Neben Mindestlöhnen gehören auch die Auswirkungen von Zuwanderung oder Bildungsmaßnahmen auf den Arbeitsmarkt zu ihren Forschungsschwerpunkten.