Buch des Monats: "Das Liebespaar des Jahrhunderts"

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

April 2023

Julia Schoch, "Das Liebespaar des Jahrhunderts"

Ein eindrucksvoll illusionsloser Roman von Julia Schoch ist das Ö1 Buch des Monats.

Einunddreißig Jahre zusammenzubleiben, schaffen nicht viele Paare. Julia Schochs Ich-Erzählerin und ihr charismatischer Mann - beide als Jugendliche in der DDR sozialisiert - haben es irgendwie hinbekommen, sie haben Kinder miteinander großgezogen, zwei an der Zahl, haben längere Auslandsaufenthalte absolviert und schöne Reisen gemacht und konnten dabei sogar noch achtbare Karrieren ins Werk setzen. Aber es hilft nichts: Julia Schochs Ich-Erzählerin will nicht mehr. Wie es dazu kam, davon handelt ihr neuer Roman.

Er nimmt den Leser, die Leserin, von der ersten Zeile an gefangen, weil "Das Liebespaar des Jahrhunderts" dem Publikum mannigfache Identifikationsangebote bietet. Dabei wahrt Schoch über 190 Seiten hinweg wohltuende Distanz zu allem Klebrig-Sentimentalen: Gefühlsduseligkeit, so scheint es, ist dieser Autorin fremd, auch da, wo sie Gefühliges schildert. Der Erzählton ist sachlich-analytisch, manchmal lakonisch, immer aber eindringlich und das Interesse der Leserin, des Lesers gekonnt am Köcheln haltend.

Strukturgeschichte moderner Liebesbeziehungen

Julia Schoch arbeitet in ihrem Roman fast so etwas wie eine Strukturgeschichte moderner Liebesbeziehungen heraus. Die Fragestellung ist spannend: Was sind die unvermeidlichen Etappen einer heterosexuellen Langzeitliebe im Mittelschichts-Milieu in Zeiten der Spätmoderne? Immer richtet Schoch dabei den Fokus allerdings auf die ganz konkreten Menschen, von denen sie erzählt.

Das Zerbröseln einer großen Liebe unter den Hammerschlägen des Alltags - selten ist davon eindrücklicher und wahrhaftiger die Rede gewesen als in diesem wunderbaren und eindrucksvoll illusionslosen Buch.

Service

Julia Schoch, "Das Liebespaar des Jahrhunderts", Roman, dtv, München, 192 Seiten

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