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GEH DICHT DICHTIG! Hörspieldialog mit Elfriede Gerstl

Autorin

Ruth Johanna Benrath (Deutschland)

Regie

Christine Nagel

Musik

Lauren Newton

Produktion

ORF-HI - Kunstradio / BR / BR , 2019 (Neuproduktion)

Assistenz

Jasmin Schäffler

Schnitt

Manuel Radinger, Daniel Bren

Ton

Martin Leitner

Mit

Gerti Drassl (Erste Stimme / Gerstl)
Dörte Lyssewski (Zweite Stimme / Benrath)
Lauren Newton (Dritte Stimme / Vokalistin)

Inhalt

In „GEH DICHT DICHTIG!“ tritt die in Berlin lebende Autorin Ruth Johanna Benrath in einen fiktiven Dialog mit der von ihr verehrten Wiener Dichterin Elfriede Gerstl (16. Juni 1932 - 9. April 2009). Elfriede Gerstl verfasste Gedichte, Essays, kurze Prosastücke und „Denkkrümel“, wie sie selbst einige ihrer Texte nannte. Sie zählt zu den Größen der österreichischen Literatur nach 1945. Sie stammte aus einer jüdischen Zahnarztfamilie und überlebte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten in Verstecken in Wien. Nach 1945 studierte Gerstl Medizin und Psychologie, dieses Studium brach sie ab, verbrachte die 1960er Jahre in Berlin und kehrte 1968 nach Wien zurück. 1999 erhielt sie den Erich-Fried-Preis und den Georg Trakl-Preis, 2004 den Ben-Witter-Preis und 2007 den Heimrad-Bäcker-Preis.

1980 betrachtete Elfriede Gerstl in ihrem Essay "Aus der Not ein Hörspiel machen, zur Not ein Hörspiel hören“ die Chance des Hörspiels im Verursachen von „Denkanstößen“. Diesen Gedanken nimmt „GEH DICHT DICHTIG! Hörspieldialog mit Elfriede Gerst“ von Ruth Johanna Benrath auf, indem Benrath aus Anlass von Elfriede Gerstls 10. Todestag auf deren „Denkkrümel“ mit ihren eigenen Texten antwortet.

Die akustische Umsetzung bildet den Verlauf dieses Dialogs nach: es ist zunächst die Stimme der Autorin Ruth Johanna Benrath (gespielt von Dörte Lyssewski), die sich bei Elfriede Gerstl bewirbt mit einem literarischen Text. Gerstl Stimme (gespielt von Gerti Drassl) reagiert abwartend, weiß nicht, ob sie sich einlassen will auf das Spielangebot. Erst als die musikalische Stimme der Sängerin Lauren Newton hinzutritt, springt die Kreativität über. Aus literarischem Geplänkel erwächst ein Verfahren, in dem Gerstl und Benrath ihre unterschiedlichen Auffassungen vom literarischen Schreiben aneinander reiben, und schließlich in fantasievollen Sprachwitz überführen. Manchmal kommen die beiden nicht weiter, dann versuchen sie sich an einem Roman, oder umkreisen sprachlich den ORF-Werbespruch „Schöner hören“. Als die ältere Gerstl schließlich müde wird, macht die jüngere Benrath ihr ein Sprachbett. So steht am Ende des sprachmusikalischen Stückes der Traum vom Luft in der Luft sein, in den Elfriede Gerstl entschwinden kann.

Lauren Newton trägt mit ihren Klangflächen und Sprachspielen diesen Dialog zweier Autorinnen, die sich im realen Leben nie begegnet sind, jedoch auf sprachlicher Ebene einander tief durchdringen.

Diese Produktion wurde von der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Jahres 2019 gewählt.

Die Begründung der Jury:
Wenn ein Preis bereits 31 Mal verliehen worden ist, könnte sich beim 32. Mal leicht ein Hauch von Routine einschleichen. Dies ist 2019 beim „Hörspiel des Jahres“ keineswegs der Fall: Erstmals haben am Wettbewerb Einreichungen des ORF und des SRF teilgenommen, und gleich zum ersten Mal geht die Auszeichnung an eine ORF-/BR-Produktion: „GEH DICHT DICHTIG! Hörspieldialog mit Elfriede Gerstl“ von Ruth Johanna Benrath.
Dieser imaginäre Dialog der Wiener Dichterin Elfriede Gerstl (Gerti Drassl) mit der Berliner Autorin Ruth Johanna Benrath (Dörte Lyssewski), der durch Lautimprovisationen der US-amerikanischen Klangkünstlerin Lauren Newton als gleichberechtigter zusätzlicher Stimme trialogisch konzipiert ist, zeigt eine perfekte Melange gestalterischer Parameter: Das Hörspiel präsentiert sich als Wort-, Klang- und Gedankenexperiment und wird durch den anarchischen Umgang mit Sprache und einer selten so gelungenen Rhythmisierung sprachlicher Musikalität zum Unikat, zu einer vor Intensität leuchtenden Hommage an die 2009 verstorbene Elfriede Gerstl.
Wie kein anderes Hörspiel im Jahr 2019 überzeugt die Produktion durch ein mitreißendes Wechselspiel dreier Klangquellen, die im Endprodukt völlig assoziativ entstanden zu sein scheinen. Dieses wechselseitige Durchdringen unterschiedlicher Sprach- und Lautgenres als Ergebnis einer multifunktionalen Kollektivleistung des Produktionsteams unter der beeindruckenden Regie Christine Nagels macht den performativen Charakter von „GEH DICHT DICHTIG!“ aus und das Werk zu einem lautpoetischen Klangkunsthörspiel außergewöhnlicher Art: Sprachklang wird schillernd transportiert, geräuschhafte Strukturen wirken im besten Sinne so integrierend wie irritierend, ihre ausgeklügelte Mischung mit konkreter Sprache schafft Distanz, provoziert und produziert eine mitunter köstlich-absurde Komik. Das Zulassen des Assoziativen evoziert den dadaistischen Effekt des scheinbar Kindlich-Naiven, des bewusst Nicht-Reflektierten. Sprache wird aktiviert, um Sprache um- und aufzuschürfen und ihr neue Lebendigkeit durch die Freude am Wort und am Vokalisieren zu verleihen. Loops, Grooves und variantenreiche Chaosfaktoren in der Textstruktur finden sich sowohl auf sprachlich konzipierter als auch musikalisch improvisierter Ebene. Dies führt zu einer atemberaubend dynamischen Interaktion im fiktiven Dialog. Das virtuose Akustikexperiment „GEH DICHT DICHTIG!“ produziert einen fantasievollen Sprachwitz, der von Literatenkollegen wie Ernst Jandl oder Oskar Pastior inspiriert zu sein scheint, aber in seiner individuellen Ausformung völlig eigenständig dasteht und auf beispielhafte Weise ein Feuerwerk des Auditiven zündet.

Diese Produktion wurde bei der Ö1 Hörspiel-Gala am 28.2.2020 mit dem "Hörspielpreis der Kritik 2020" ausgezeichnet.

Sendedaten

7. April 2019 (NP, ca. 42:00 min ) mehr dazu im Ö1 Programm
1. März 2020 (WH, 42:00 min ) mehr dazu im Ö1 Programm
10. Oktober 2020 (WH, ca. 42:00 min ) mehr dazu im Ö1 Programm
18. Juni 2022 (WH, 42:00 min ) mehr dazu im Ö1 Programm

Trailer

GEH DICHT DICHTIG! Hörspieldialog mit Elfriede Gerstl, 3:02