Gedanken für den Tag

von Martin Haselböck. "Sein und Schein" - vom Leben mit der Kunst

"Da ich von der Kirchenmusik hergekommen bin, hatte ich immer den Eindruck, dass Alte Musik einen besseren Klang verdienen würde. Bei der Orgel gibt es ja historische Instrumente mit dem Klang, den etwa auch Bach gehört hat. Ein solches Instrument ist wie eine Unterrichtsstunde mit den besten Lehrern", sagte der renommierte österreichische Dirigent und Komponist Martin Haselböck einmal in einem Interview.

Haselböck erwarb sich zunächst große Reputation als Organist, bevor er 1985 das Originalklangorchester Wiener Akademie gründete. In den "Gedanken für den Tag" spricht der Pionier der Originalklang-Bewegung über sein Leben mit der Kunst und den Mut zum Unbekannten.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Vorgestern wurde von der Musikwelt der 200. Jahrestag der Geburt des Komponisten Franz Liszt gefeiert.

Von Liszt besitze ich ein von mir sorgsam aufbewahrtes Autograph: Auf einem Umschlagblatt einer eigenen Komposition hatte der Komponist ein berühmtes Zitat der Musikgeschichte niedergeschrieben "Viel zu viel Noten (Kaiser Joseph), nicht eine zu viel (Mozart)", dann aber zugefügt "Die meinigen aber überflüssig" Liszt.

Überflüssig? War der weltberühmte Pianist, der kämpferisch um Anerkennung bemühte Komponist in ein schwarzes Loch der Emotionen gefallen? Hatte er nicht ohnedies alles erreicht, was an Anerkennung, an Bestätigung des Schaffens möglich war?

"Resignazione" heißt ein Spätwerk des Komponisten und es drückt das aus, was sich in vielen unbezeichneten Musikstücken auch anderer Meister nachfühlen lässt: das Bewusstsein des Unvermögens, angestrebte Ziele vollkommen zu erreichen, selbstgesteckte Aufgaben zu erfüllen.

Wohlbekannt erscheint mir diese Stimmung auch im eigenen Alltag: Die selbstgewählten Aufgaben erscheinen nicht zu bewältigen, sie wirken wie Berge, die sich in den Weg stellen und deren Gipfel in unerreichbarer Ferne liegen. Utopien, Träume sind der Antrieb menschlichen Handelns. Sie sind hochgesteckt, sie müssen jenseits unserer Realitäten und Vorstellungen liegen um Impetus und Anregung für uns selbst zu werden.

Ein anderer Jahrhundertkomponist, der 1911 geborene und viel zu früh verstorbene Jehan Alain hat es im Vorspann seiner wunderbaren Komposition "Le Jardin suspendu" ausgedrückt: Der hängende Garten, das ist das ewig angestrebte und sich entziehende Ideal des Künstlers, es ist das unerreichbare und unverletzbare Refugium.

Ich glaube: Man braucht nicht Künstler zu sein, um hängende unerreichbare Gärten, flüchtige Ziele zu verfolgen und sich von ihnen inspirieren zu lassen.

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Playlist

Titel: GFT 111024 Gedanken für den Tag / Martin Haselböck
Länge: 03:49 min

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