Gedanken für den Tag

von Michael Bünker. "Rosen statt Getreide" - vom Hunger in der Welt

"Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet", stellt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler fest. Während mehr als fünf Millionen Menschen in Äthiopien hungern, züchtet eine indische Firma dort auf riesigen Plantagen Rosen für Europa.

Das ist kein Einzelfall: Agrarunternehmen aus Industrie- und Schwellenländern weichen wegen der hohen Bodenpreise in ihrer Heimat zunehmend in Entwicklungsländer aus, auch ans Horn von Afrika. Derweil leidet die Bevölkerung dort unter einer Hungersnot epochalen Ausmaßes. Diese Ernährungskrise geht auf Dürre und Krieg zurück. Hunger gehört am Horn von Afrika zum Alltag, während er in Europa seine Schrecken verloren hat.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker spricht anlässlich des evangelischen Reformationstages über den Hunger in der Welt als Herausforderung und Anfrage an all jene, die von diesen ungerechten Strukturen profitieren.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Nico ist Mülltaucher, er "containert" oder "dumpstert". Er durchstöbert Müllcontainer nach weggeworfenen, aber absolut genießbaren Lebensmitteln. Oft noch originalverpackt. In Österreich wie in anderen europäischen Ländern ist es rechtlich umstritten, wem der Abfall gehört. Darf man ihn einfach mitnehmen? Nico kümmert das wenig. Wenn er mehr findet, als er selbst braucht, tauscht er mit anderen. Internet und Facebook machen es möglich.

Mülltaucher sind junge Leute. Sie wollen nicht nur leben, ohne zu kaufen, sondern auch gegen dieses ungeheure Wegwerfen ein Signal setzen. Sie protestieren gegen die maßlose Verschwendung und gegen die Einstellung, Lebensmittel seien banale Waren wie andere Produktionsgüter auch. Das sind sie aber nicht.

In Indien, einem Land mit sagenhaftem Wirtschaftswachstum von 9 Prozent, hungert jedes zweite Kind. Dabei wäre auch dort genug für alle da. Aber drei Viertel der Ernte von Obst und Gemüse wird vernichtet, niemand kann die Früchte richtig lagern oder transportieren. Das Problem ist die Verteilung.

Und bei uns? Die Kunden wollen frische Ware. "Am 4. März entsorgen wir alle Produkte mit dem Haltbarkeitsdatum 5. März. Wir können uns keine Lücken leisten", so der Filialleiter einer Supermarktkette.

Die Mülltaucher setzen gleichsam am Ende der Kette an. Andere tun es schon bei der Produktion und beim Einkauf. Das kann der Fleischverzicht sein oder zumindest die Reduktion sein, die 100 Kilometer Diät sein, also nur zu kaufen, was nicht weiter als 100 Kilometer antransportiert werden muss, oder Direktvermarktung beim Hersteller sein oder oder. Ich bin sicher, dass jeder und jede eine Form finden kann, dem Hungerproduzieren schon hier und jetzt durch das eigene Handeln Nein zu sagen und einfach dem Gewissen zu folgen.

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Playlist

Titel: GFT 111105 Gedanken für den Tag / Michael Bünker
Länge: 03:47 min

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