Gedanken für den Tag

Von Stephan Schulmeister. "Geld, Krise und Gemeinschaft". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Genau zehn Jahre nach der Einführung des Euro als alleiniges Zahlungsmittel in vielen Ländern Europas macht sich der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister Gedanken über den Widerspruch zwischen den Grundwerten der Bürgerinnen und Bürger in der EU sowie ihren Erwartungen an die Politik und der politischen Praxis andererseits.

Mit Worthülsen wie Schuldenbremse, Leistungsträger, Substanzbesteuerung wird die Politik nichts weiter bringen. Für "leadership" braucht es konkretes und anteilnehmendes Denken, die Emanzipation aus selbstverschuldeter Marktreligiosität und eine neue ökonomische Navigationskarte.

Die Navigation mit neoliberaler Karte führte in die Krise. Ihr Zweck war gewesen: das System Politik aus dem Bereich des Wirtschaftlichen zu drängen sowie den Sozialstaat und die Gewerkschaften zu schwächen. Jetzt, wo diese Mission weitgehend erfüllt ist, werden die Eliten die Geister nicht wieder los, die Wirtschaftswissenschafter vor 40 Jahren gerufen hatten.

Eine neue, nützliche Navigationskarte müsste die Lebensgewohnheiten, Grundwerte und Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen: Dazu gehört insbesondere eine sozialstaatliche Organisation des Gesundheits-, Pensions- und Bildungswesens sowie die Absicherung von Arbeitslosen und sozial Schwachen.

In den skandinavischen Ländern ist der Sozialstaat viel umfassender ausgebaut als in Mitteleuropa. Nicht zuletzt deshalb ist auch die ökonomische Performance seit 20 Jahren dort besser als im Rest der EU.

Politikerinnen und Politiker könnten sich auch am Sozialwort der Kirchen in Österreich orientieren. Daraus einige Kernsätze:

"Die politische Konkretisierung des Rechtes auf soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Wohnen und Arbeit" ist "Ausdruck institutionalisierter Solidarität. Die solidarische Absicherung von Risiken wie Arbeitslosigkeit und Alter sind Wohlstandsindikatoren. Unter dem Vorwand der Unfinanzierbarkeit die Risiken zu privatisieren bedroht den solidarischen Zusammenhalt. Die Finanzierbarkeit ist eine Frage des politischen Willens und einer ausgewogenen Verteilung der Lasten. Die Kirchen treten ein für eine Weiterentwicklung des Sozialstaates." Ende der Zitate.

Mit Schuldenbremsen werden wir das nicht erreichen. Statt neoliberaler Symptomkuren braucht es eine systemische Therapie, welche die Doppelnatur des Menschen als Individuum und als soziales Wesen berücksichtigt.

Der Satz der großen neoliberalen Christin Margret Thatcher "Gesellschaft gibt es nicht" ist falsch.

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Titel: GFT 120210 Gedanken für den Tag / Stephan Schulmeister
Länge: 03:49 min

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