Zwischenruf

von Superintendent Manfred Sauer (Klagenfurt)

"Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin!" Ein beliebter Satz der Friedensbewegung, die durch die internationale Entwicklung des Kalten Krieges ab 1980 auch in Österreich enormen Zuspruch fand. Es war die Zeit, in der ich als junger Theologiestudent nach Wien kam und mich fasziniert und begeistert dieser Bewegung angeschlossen habe. Bei den diversen Demonstrationen, an denen ich auch teilgenommen habe, konnte man diesen Satz immer wieder auf Transparenten, auf Ansteckern oder an Häuserwänden lesen.

"Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin", dieser Satz stammt aus dem 1936 veröffentlichten Roman "The People, Yes" des amerikanischen Schriftstellers und Poeten Carl Sandburg. Ein kleines Mädchen äußert darin beim Vorbeiziehen einer Truppenparade die hypothetische Überlegung: "Sometime they'll give a war and nobody will come" wörtlich übersetzt: "Einmal werden sie einen Krieg geben, und keiner wird kommen."

"Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin." Schön wärs, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Ein Blick in die Geschichte und in die Tageszeitung lehrt: Es gibt offensichtlich kein Entrinnen. Krieg ist eine schreckliche, aber nicht wegzuleugnende Konstante. Kriege werden aus ganz unterschiedlichen Motiven geführt, angezettelt, vorbereitet, ausgerufen, vom Zaun gebrochen, und inszeniert.

Die häufigsten Motive sind handfeste Machtinteressen. Machterhalt oder Machterweiterung verbunden mit übersteigertem Größenwahn. Es geht um den Kampf um die wichtigsten Rohstoffe, die die wirtschaftliche Überlegenheit sichern. Es gibt aber auch ideologische und religiös aufgeladene Motive.

"Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin." Trotz einer bedrückenden und ernüchternden Wirklichkeit formuliert dieser Satz einen nach wie vor wunderbaren Traum. Auch auf die Gefahr hin, naiv und ein Traummännlein zu sein, bin ich tief davon überzeugt, dass wir diese Utopie, diese Hoffnung für ein verändertes Handeln brauchen. Wir dürfen nicht aufhören, daran zu glauben, dass es auch anders gehen könnte zwischen unterschiedlichen Völkern, Nationen und Religionen.

Der neue Militärkommandant von Kärnten hat vor einigen Tagen ein für mich beachtliches und mutiges Interview gegeben, in dem er offen zugibt, dass er am 20. Jänner des nächsten Jahres bei der bevorstehenden Volksabstimmung gegen die allgemeine Wehrpflicht stimmen wird.

Seine Begründung: "Die Bedrohungsszenarien haben sich geändert. Auch mit 55.000 Mann wie derzeit wird das Heer Österreich nicht verteidigen können. Das ist auch nicht mehr notwendig. Zudem ist eine gemeinsame Armee das Ziel der EU. Auch dazu werden wir Profis brauchen. Die Freiwilligenarmee ist besser.

Ich teile diese Ansicht und werde im Jänner auch gegen die allgemeine Wehrpflicht stimmen. Dabei beflügelt mich noch eine weitere Motivation und Hoffnung. Vielleicht ist dies ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung der Utopie, dass wir in Zukunft in der Lage sind, Konflikte nicht mit Gewalt, sondern mit Dialog und gegenseitigem Verständnis zu lösen. Der Umgang mit Alten und Kranken, mit beeinträchtigten und hilfsbedürftigen Menschen, die Arbeit mit Flüchtlingen und Asylsuchenden als sozialer Dienst, der von der Gesellschaft auch entsprechend honoriert wird, erscheint mir dabei eine sinnvolle Alternative zur Wehrpflicht zu sein.

"Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth." Dieser Satz stammt von dem Propheten Sacharja. Auch Sacharja war ein Träumer, ein visionärer Prophet. In den sieben Visionen, die uns von ihm überliefert sind ist die zentrale Hoffnung, die immer wieder vorkommt, die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit.

Frieden und Gerechtigkeit, ein Leben in Würde und Freiheit, nicht durch ein starkes und schlagkräftiges Heer, sondern allein durch den Geist Gottes und durch unseren Geist, das ist die biblische Hoffnung, die wir bezeugen und die uns beflügelt.

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