Salzburger Nachtstudio

"Flüchten oder Standhalten".
Gestaltung: Elisabeth J. Nöstlinger

"Der Mann treibt die Frau, die Elterngeneration die Kinder, generell der Stärkere den Schwächeren durch manipulierte Trennungsangst in Anklammerungs- und Unterwerfungszwänge hinein, welche jeweils die eigene Vereinsamung kompensieren sollen." Gleichgültig ob in Familien, gesellschaftlichen und politischen Strukturen oder in der Arbeitswelt, das sozialpsychologische Zeitklima hat sich seit Horst-Eberhard Richters Diagnose im Jahre 1976 nicht verändert.

Damals hat der Wehrmachtssoldat, Psychoanalytiker, Sozialphilosoph und spätere Leiter des Sigmund Freud Instituts in Frankfurt, den Kreislauf der Angst beschrieben. Das Kraftzentrum seiner theoretischen Fruchtbarkeit fand der Star der Friedensbewegung als einfaches Mitglied einer Initiativgruppe, die Sozialarbeit in einem Randgruppen-Getto betrieb. Horst-Eberhard Richter erkannte, wie verletzbar wir durch Trennungsdrohungen sind und auch, dass wir deshalb manipulierbarer sind, als wir wahrhaben wollen. Doch wird die Angst verleugnet und nach unten weitergereicht. Den Letzten beißen dann die Hunde.

Aber wohin flüchten, wenn soziale Strukturen aus Persönlichkeitskonflikten resultieren und die gesellschaftliche Realität die psychische widerspiegelt? Der "Therapeut der Nation" meinte, dass die soziale Realität auf neurotische Reaktionsmuster bereits zugeschnitten ist und die verkrusteten Institutionen Garanten für die entmündigende Wirkung seien. Seine Erfahrung, gewonnen in den "Spontangruppen", bietet eine Gegenwelt. Hier wird in offenen Kooperationsformen Solidarität gewagt und Isolierung abgebaut. Horst-Eberhard Richter wusste, wenn das Experiment auf Dauer fruchtbar sein soll, müssen die Erfahrungen für eine Veränderung in den Institutionen genutzt werden. Der Weg ist nicht zu Ende. Doch es lohnt sich H. E. Richters Erkenntnisse für eine Gesellschaft die weniger Angst, Gewalt und Isolation hervorbringt umzusetzen und standzuhalten.

Am 28.4. wäre Horst-Eberhard Richter 90 Jahre alt geworden.

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