Gedanken für den Tag

6. Mai 2013, 06:56

Über die Schriftstellerin Toni Morrison, die vor 20 Jahren den Nobelpreis für Literatur erhielt:

Sie wollte ein bestimmtes Buch lesen, und dieses Buch gab es nicht. Also schrieb sie es.

So erzählt die afroamerikanische Autorin Toni Morrison gerne die Geschichte, wie sie selbst eines Tages zu schreiben begann. Es ist eine schöne Geschichte, die zudem verrät, wem ihr Interesse gilt: Nämlich jenen, die in der offiziellen amerikanischen Geschichtsschreibung NICHT vorkommen. Den vielen Millionen Sklaven.

Ihr erster Roman "Sehr blaue Augen" erschien 1970. Zwei Jahre zuvor wurde Martin Luther King erschossen, der sich für die Rechte der Afroamerikaner einsetzte. Morrison erzählt in ihrem Roman von Verwüstung. Sie erzählt, was der Rassismus im verletzlichsten, hilflosesten Glied der Gesellschaft anrichtet: in einem schwarzen weiblichen Kind.

Rassismus und Sklaverei und ihre Folgen für die menschliche Seele sind Themen, die sich durch alle ihre Romane ziehen. Vielen ihrer Figuren geht es wie dem biblischen Hiob. Sie finden sich in himmelschreiend ungerechten Situationen, sie wurden gefoltert und als Menschen demoliert und in Frage gestellt, sie verlieren die Mutter oder müssen das eigene Kind weggeben, sie tragen eine Last, die kaum zu ertragen ist.

Es scheint alles so aussichtslos, und doch gibt es Auswege. Oft führen sie allerdings erst durch die Hölle. Was in Gang kommt, wird von außen, von anderen ausgelöst, von Menschen oder Geistern. Der Weg zur Menschwerdung gelingt nicht alleine. Es braucht Gemeinschaft, die Hilfe anderer. Auch davon erzählt Toni Morrison.

So schwer die Figuren es in ihren Romanen auch haben - am Ende gibt es stets eine Art von "Epiphanie", es ereignet sich also etwas, es wird etwas sichtbar - vielleicht sogar etwas Göttliches. Es gibt also, so sagt Morrison wörtlich, "einen Ort, wo die Figuren sich hinbewegt haben - emotional und intellektuell. Etwas, das das Elend rechtfertigt, das sie durchgemacht haben."

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