Radiokolleg - Sonderschüler ohne Sonderschule?

Chancen und Risiken der Inklusion (4). Gestaltung: Christa Nebenführ

Seit den 1970er Jahren hat in der Bildungspolitik ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Nicht mehr die fehlerfreie Wiedergabe starrer Lerninhalte, sondern die Förderung von Interesse und Lernkompetenz sollen im Vordergrund stehen - und zwar für alle Schüler und Schülerinnen. Das gilt selbstverständlich auch für Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf. Über die bestmögliche Umsetzung dieses unstrittigen Anspruches herrscht allerdings kein Einvernehmen.

Seit die UNO-Behindertenrechtskonvention am 26. Oktober 2008 von der Republik Österreich ratifiziert wurde diskutieren vor allem Bildungspolitiker, ob Sonderschulen damit konventionswidrig sind. Artikel 24 der Konvention besagt nämlich, dass niemand vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden darf und dass ein individueller Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht besteht. Sollte aus diesem Recht eine Pflicht werden, befürchten manche Lehrer und Eltern, dass die Schließung von Sonderschulen mit einer Kürzung der Ressourcen für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf einhergeht, vor allem, wenn diese schwerstbehindert sind. Denn häufig wird gegen den Weiterbestand von Sonderschulen ins Treffen geführt, dass das doppelgleisige System das teuerste sei.

Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Ausländeranteil an Sonderschulen im Schuljahr 2010/11 laut Statistik Austria österreichweit mit 18 Prozent fast doppelt so hoch wie an Regelschulen mit rund 10 Prozent ist. Diesbezüglich wäre eine intensive Sprachförderung die günstigere Lösung, sowohl ökonomisch als auch im Hinblick auf die Chancen der Schüler/innen.

Im Radiokolleg sprechen Pädagogen und Konventionsexperten, ein ehemaliger Sonderschüler, seine Angehörigen sowie Vertreter privater Initiativen über ihre Erfahrungen, Hoffnungen und Befürchtungen in Bezug auf den getrennten und den gemeinsamen Unterricht von Regelschülern und Schülern mit körperlichen, geistigen oder mentalen Behinderungen.

Jürg Jegge, der 1988 in der Schweiz den Märtplatz, eine Ausbildungsstelle für Jugendliche mit Startschwierigkeiten gegründet hat, befürwortet eine Abkehr von ideologischen Scheuklappen: "Man kann beides schlecht machen und man kann beides gut machen" ist er überzeugt.

Service

Jegge, Jürg: "Dummheit ist lernbar: Erfahrungen mit 'Schulversagern'".Zytglogge-Verlag 1994
Jegge, Jürg: "Die Krümmung der Gurke" Zytglogge-Verlag 2006
Jegge, Jürg: "Abfall Gold - Über einen möglichen Umgang mit "schwierigen Jugendlichen". Zytglogge-Verlag 1991
Jegge, Jürg: "Fit und fertig: Gegen das Kaputtsparen von Menschen und für eine offene Zukunft". Limmat Verlag 2009
Jegge, Jürg: "Angst macht krumm". Zytglogge-Verlag 1991
Ingenkamp, Karl-Heinz und Urban Lissmann: "Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik". Beltz Pädagogik 2008
Steingruber, Alfred: "Der Behindertenbegriff im österreichischen Recht". Diplomarbeit an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz, Juni 2000
Lambauer, Otto: "Mein Kind übersiedelt - Chancen und Probleme in der Zusammenarbeit mit Institutionen". Caritas Wien, Menschen mit Behinderung aus dem Sonderheft "Mittendrin" zur Down-Syndrom-Tagung 2006 in St.Virgil in Salzburg, DSÖ (Hrsg.)
Kersten Reich (Hrsg.): "Inklusion und Bildungsgerechtigkeit. Standards und Regeln zur Umsetzung einer inklusiven Schule". Beltz 2012
Cornelius Breyer, Günther Fohrer, Walter Goschler, Manuela Heger, Christina Kießling, Christoph Ratz (Hg.): "Sonderpädagogik und Inklusion". Athena 2012
Klaus Metzger, Erich Weigl: "Inklusion - eine Schule für alle". Cornelsen-Verlag
Birgit Lütje-Klose, Marie-Therese Langer, Björn Serke, Melanie Urban (Hrsg.): "Inklusion in Bildungsinstitutionen - eine Herausforderung an die Heil- und Sonderpädagogik". Klinkhardt 2011

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  • Christa Nebenführ