Vom Leben der Natur

Die Rückkehr der letzten Wildpferde. Der Veterinärmediziner Christian Walzer begleitet seit über 20 Jahren die Wiederansiedlung der Przewalski-Pferde in der Mongolei.
Teil 2: Zurück in der Wüste Gobi.
Gestaltung: Barbara Zeithammer

Eine ebene Steppenwüste mit Gras, das aussieht, als wäre es zuerst verbrannt und dann ausgerupft worden, mit Jahresdurchschnittstemperaturen unter null Grad Celsius, langen, strengen Wintern, heißen, trockenen Sommern und stetig blasendem Wind - das ist die Dsungarische Gobi in der Mongolei, konkret: der Gobi B Nationalpark - die ursprüngliche und zugleich neue Heimat des Przewalski-Pferdes, des letzten Wildpferdes. 1969 wurde dort das letzte Takhi, wie das Tier auf Mongolisch heißt, erschossen - die Art war in freier Wildbahn ausgestorben. Seit Anfang der 90er Jahre werden die hellbraunen, kräftigen Pferde mit der Stehmähne in der Mongolei wieder angesiedelt, sie haben in Zoos überlebt. Von 13 Gründertieren stammen alle heute lebenden Przewalski-Pferde ab. Die internationale Takhi-Gruppe wurde gegründet, eine NGO, ihre Rolle basiert auf einem Mandat der mongolischen Nation.

"Ich kann mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal dort war. Es war unglaublich: Ich war erschöpft und gestresst von der langen Anreise - gut 40 Stunden waren wir unterwegs, von Zürich über Peking nach Ulan Bator und dann in die Gobi - die Laderampe ging auf und ich stand das erste Mal in der Mongolei. Rund hundert Nomaden standen um das Flugzeug herum und freuten sich, dass die Pferde da waren." Mitten in der Wüste, rund 1.300 Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt, befindet sich der Außenarbeitsplatz von Chris Walzer, Professor für Wildtiermedizin der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Er betreut und begleitet das Wiederansiedlungsprojekt wissenschaftlich. Das ist einerseits eine technische Herausforderung, andererseits eröffnet das Projekt ungeahnte Forschungsmöglichkeiten. "Es gibt überraschenderweise kaum Forschung zu Equiden, auch nicht zu Zebras, und über die Przewalski-Pferde gibt es so gut wie keine Aufzeichnungen, in keiner Sprache, auch keine verwertbaren Fotos." Chris Walzer erforscht zum Beispiel mit seinem Team, wie Pferde Raum nutzen, wie und was sie lernen, wie Wissen innerhalb einer Gruppe weitergegeben wird, wie das Sozialleben der Takhis strukturiert ist.

"Man stellt sich das so vor: Freiheit, die Pferde kommen zurück in ihre ursprüngliche Heimat, dort sind sie glücklich. Das ist wirklich naiv, denn die Tiere kommen aus Zoos und müssen sich erst an die Umgebung anpassen". Die Lebensbedingungen in der Gobi sind hart, vor allem im Winter. Von Oktober bis April harren die Pferde bei minus 30 Grad und starkem Wind aus, finden kaum Futter und magern bis auf das Skelett ab. "Sie überstehen die Wintermonate in gehender Winterruhe - sie schrauben den Stoffwechsel, die Körpertemperatur, den Herzschlag herab." Wenn im Frühjahr das Steppengras wieder wächst, können die Pferde innerhalb weniger Wochen rasant an Gewicht zulegen.

Die Wiederansiedelung des letzten Wildpferdes ist vorerst geglückt, die Population ist stabil, die Art in der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature nicht einmal mehr "kritisch gefährdet". Chris Walzer und sein Team hoffen, dass es gelingt, den Nationalpark zu erweitern und die mongolische Pferdegruppe mit der chinesischen zu verbinden, um die Art nachhaltig zu sichern. Die Mongolei ist ein Land im wirtschaftlichen Aufbruch, Minengesellschaften haben die Gobi entdeckt. Das Wildpferd kann nur überleben, wenn die lokalen Ökosysteme erhalten bleiben. Das Takhi fungiert als Flaggschiff-Art für die Erhaltung der gesamten Dsungarischen Gobi.

Service

INTERVIEWPARTNER

Univ.-Prof. Dr. Christian Walzer
Veterinärmedizinische Universität Wien
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie
vetmeduni vienna


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