Radiokolleg - Frauen in Indien

Zwischen Unterdrückung und Selbstbehauptung (1).
Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

Am 16. Dezember 2012 wurde eine junge Frau in einem Bus in Neu Delhi Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Zwei Wochen später erlag sie den schweren Verletzungen, die sie bei der Gewalttat erlitten hatte. Am 22. August 2013 wurde eine Fotojournalistin in Mumbai von einer Gruppe junger Männer vergewaltigt. Die beiden Fälle machten international Schlagzeilen, weltweit greifen Medien seither immer neue Vergewaltigungsfälle in Indien auf. In den indischen Zeitungen selbst ist die Zahl der entsprechenden Berichte noch weitaus größer. Gewalt gegen Frauen gehört zum Alltag, da helfen auch die zahlreichen Göttinnen im Hindu-Pantheon nichts.

Die Gewalt beginnt bereits dort, wo weibliche Föten abgetrieben werden, weil sich Familien einen Sohn wünschen, geht über die Benachteiligung von Töchtern bei Essen, medizinischer Versorgung und Bildung bis hin zu Mitgiftmorden. Laut offiziellen indischen Statistiken ist die Gewalt gegen Frauen in jüngster Zeit weiter angestiegen. Dabei war Gewalt gegen Frauen bereits eines der zentralen Themen, deren sich die in den 1970er Jahren entstandene neue indische Frauenbewegung annahm. Seither hat sich so manches verändert, neue und bessere Gesetze wurden verabschiedet, neue Frauenorganisationen sind entstanden, und immer mehr Frauen gelingt es, eine bessere Bildung und - zumindest teilweise - auch eine größere Autonomie in ihrer Lebensplanung und -gestaltung zu erlangen.

Inderinnen nehmen Toppositionen in Banken, Unternehmen und in der Forschung ein, auch wenn ihr Prozentsatz in diesen Bereichen insgesamt noch eher gering bleibt. Das Gleiche gilt für die Politik, wo eine Frau an der Spitze allerdings noch keine frauenfreundliche Politik bedeuten muss. Auf der Lokalebene, wo sie unter Umständen mehr erreichen können, engagieren sich jedenfalls immer mehr Frauen politisch. Die wachsende Gewalt gegen Frauen erklären Soziolog/innen mit einem Backlash gegen die Emanzipation der Frauen - eine These, die durch zahllose frauenfeindliche Kommentare von Politikern gestützt wird.

Die Soziolog/innen verweisen aber auch auf das insgesamt hohe Gewaltniveau in der indischen Gesellschaft. Kasten- und Klassenkämpfe, die Vertreibung unzähliger Inder/innen infolge von Bergbau- und Großindustrieprojekten, Konflikte zwischen den Religionsgruppen, von der Not getriebene Migration und die verheerenden Lebensbedingungen von Millionen Menschen in den städtischen Slums ergeben ein Spannungspotential, das sich regelmäßig in unterschiedlichen Formen von Gewalt entlädt.

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