Zwischenruf

von Gisela Ebmer (Wien)

Frühpension und der Sinn der Arbeit

Zu Ostern bin ich mit ein paar Freunden zusammengesessen und eine Studentin hat von ihrer derzeitigen Zusatzarbeit erzählt in der psychologischen Betreuung von Menschen, die arbeitslos sind.

Es hat sich eine heftige Diskussion entzündet:

Iris hat sie eröffnet: Wenn jetzt die Frühpensionen abgeschafft werden, ist das eine Katastrophe für manche Leute. Jemand, der als Lehrer ein Burnout hat, kann nicht gezwungen werden, in die Klasse zurück zu gehen. Er hat Panik davor.

- Aber der Staat kann es sich nicht leisten, dass die Leute mit 55 oder früher in Pension gehen. Wenn die Lebenserwartung 80 Jahre ist, dann müssen wir eben länger arbeiten. Das bringt doch jeder zustande. Die Leute sind mit 55 noch völlig gesund!

- Vor 50 Jahren hat es noch nicht einmal eine Pension gegeben. Da haben alle bis zum Umfallen gearbeitet.

Ja, und von zwei Elternteilen ist immer einer, meist die Mutter, daheim geblieben bei den Kindern. Die Großeltern haben noch gearbeitet. Und noch früher haben zwar beide Eltern am Bauernhof oder im Betrieb gearbeitet, aber die Alten waren daheim und haben auf die Kinder geschaut. Heute gibt es Eltern, die beide berufstätig sind, und Großeltern, die auch noch berufstätig sind. Wer kümmert sich um die Kinder?

- Naja, die Ansprüche der jungen Leute sind heute halt viel zu hoch. Früher ist man auch mit nur einem Gehalt in der Familie ausgekommen. Die Mutter soll daheim bleiben beim Kind.

Meist geht heute ein Gehalt auf für das Wohnen allein. Es geht sich kaum mehr aus, mit einem Gehalt zu leben. Jene Alleinerziehenden, die vom Partner kein Geld bekommen, gehören in Österreich zur Gruppe der am meisten Armutsgefährdeten.

- Trotzdem: Der Staat kann es sich nicht leisten, dass die Leute früher in Pension gehen. Dann müssten alle 90 Prozent Steuern zahlen. Nur weil manche Leute mit 55 daheim faul herumsitzen wollen.

Eine Frühpension ist für viele Leute heute kaum leistbar. Ich hab' da einen Bekannten, der wurde mit 58 in Frühpension geschickt und hat so viel Abschläge, dass er sich seine Wohnung nicht mehr leisten kann. Ich glaub' daher nicht, dass eine Frühpension was sehr Anstrebenswertes ist.

Und außerdem gibt Arbeit den Menschen ja auch Sinn und Identität. Meist, wenn man jemanden kennenlernt, fragt man sehr bald: Und was machst du beruflich? Beruf ist doch ein wichtiger Faktor, der die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht. Wenn man dann also plötzlich nicht mehr arbeiten will, stimmt wohl etwas nicht an der Art der Arbeit. Am Klima im Betrieb, an den Arbeitsbedingungen. Wer will schon fad daheim herumsitzen und vor sich hinstarren. Wenn er sich mit der niedrigen Pension auch keine Freizeit-Aktivitäten leisten kann? Viele leiden unter dem Pensionsschock, nämlich unter dem Gefühl, plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden. Was ist dann noch der Sinn des Lebens? Es sind einige Wenige, die früh in Pension gehen und in Saus und Braus leben. - Vielleicht sollte Reichtum besser verteilt werden, damit wir die Pensionen bezahlen können für alle Menschen, die sie brauchen.

Diese Menschen hätten dann freie Zeit und Möglichkeiten, so lange wie möglich und so viel es für sie in Ordnung ist, weiter ehrenamtlich tätig zu sein.

Die Kirchen und viele andere Organisationen sind über diese Menschen sehr froh! Menschen in Pension leisten heute unzählige Dienste im sozialen, kulturellen Sektor oder auch in Familienbetrieben.

Und viele Eltern, die beide berufstätig sind, würden sich über liebevolle Großeltern, die Zeit haben für ihre Enkelkinder, sehr freuen. Wenn Großeltern sich um ihre Enkelkinder kümmern, kostet dies zwar dem Staat Pensionszahlungen, andererseits können Krippenplätze eingespart werden.

Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren auf dass du lange lebst in dem Land, das dir der Herr, dein Gott gibt. Das 4. Gebot ist das biblische Pensionsversicherungs-Gebot. Es heißt nicht, dass alle bis zum Umfallen arbeiten müssen. Es könnte auch heißen, dass jene, die viel Vermögen haben, finanziell mehr beitragen, damit alte Menschen, frei vom Druck der Erwerbsarbeit, mit ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten jene ehrenamtliche Arbeit leisten können, die wir dringend brauchen. Der Sinn der Arbeit ist nämlich nicht nur ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit. Es geht um ein sinnvolles und leistbares Leben für alle Menschen dieser Erde. Und da gibt es noch viel zu tun.

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