Radiokolleg - Mut zum Widerspruch

Die ungarische Philosophin Ágnes Heller (2). Gestaltung: Nikolaus Halmer

Die 85-jährige Philosophin Ágnes Heller hat die totalitären Systeme des Nationalsozialismus und des Kommunismus überlebt. Die am 12. Mai 1929 in Budapest geborene Tochter jüdischer Eltern konnte der Deportation durch die Nationalsozialisten mehrfach nur knapp entgehen. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs studierte sie Philosophie bei György Lukács und wurde seine Assistentin. Zusammen mit György Márkus, Mihály Vajda und ihrem Ehemann Ferenc Fehér gründet sie in den 1960er-Jahren den oppositionellen Zirkel der Budapester Schule. Bald gerieten diese Intellektuellen in Konflikt mit der herrschenden Kommunistischen Partei; es folgten Berufsverbot, Bespitzelung und schließlich die Emigration in den Westen. Die dritte Diffamierungskampagne erlebte und erlebt Heller, seit sich das Regime von Viktor Orbán in Ungarn etablierte; wiederum ist sie das Ziel wüster antisemitischer Attacken und Beschimpfungen.

Die lebenslange Opposition gegenüber totalitären Mächten hat Heller für die Lage der Opfer sensibilisiert. Daher befasste sie sich hauptsächlich mit der Ethik und der Geschichtsphilosophie. Am Marxismus faszinierte sie - ähnlich wie Walter Benjamin und Jacques Derrida - speziell das Element des "Messianischen", die Hoffnung, dass durch den Marxismus eine neue Lebensqualität entstehen würde. Vom Marxismus hat sich Heller mittlerweile abgewendet. Sie vertritt nun ein Denken, das sie als "persönliche Philosophie" bezeichnet; es ist dies "eine Rückkehr in ihre Kindheit, zur Ästhetik, zu den Geheimnissen des Sternenhimmels und zu den Gefühlen".

Service

Literatur:

Ágnes Heller, Die Auferstehung des jüdischen Jesus, Philo Verlag
Ágnes Heller, Der Affe auf dem Fahrrad, Philo Verlag, (nur mehr antiquarisch erhältlich)
Ágnes Heller, Der Mensch der Renaissance, Edition Maschke, (nur mehr antiquarisch erhältlich)

Theres Jöhl: Ágnes Heller. Paradoxe Freiheit. Eine geschichtsphilosophische Betrachtung, Athena Verlag
Marit Rullmann: Philosophinnen, Suhrkamp Verlag
Mihály Vajda: Die Krise der Kulturkritik. Fallstudien zu Heidegger, Lúkacs und anderen, Passagen Verlag

Edition Konturen

Aufgrund eines Fehlers wurde leider die Folge vom Montag gesendet. Im Rahmen von "7 Tage Ö1" können Sie gerne die richtige Sendung nachhören. Wir bitten um Entschuldigung.

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