Gedanken für den Tag

von Thomas Hennefeld, Landessuperintendent der evangelisch reformierten Kirche. "Gottes Spur in unserer Welt" - Zum 450. Todestag von Johannes Calvin. Gestaltung: Alexandra Mantler

In einer Predigt sagt Johannes Calvin: "Nicht ohne Grund befiehlt Gott denen, die Güter haben, eine offene Hand zu haben für die Armen und Hungernden dieser Erde. Damit sagt er uns nämlich, dass wir ihm dienen sollen und genau, wie das zu geschehen habe. Wir sollen ihm die Ehre geben durch die Güter, die er uns reichlich schenkte."

Das klingt nach Charity-Mentalität, danach, dass die Reichen gnädig etwas an die Armen abgeben sollen. Das ist aber genauso falsch, wie der Irrglaube, Calvin hätte den Kapitalismus erfunden. Diese Meinung rührt unter anderem daher, dass Calvin das Zinsnehmen bis zu einer Höhe von fünf Prozent erlaubte, und dass er der Arbeit einen zentralen Stellenwert einräumte. Was dabei vergessen wird: Calvin lehnte sowohl den Wucher, aber auch das Bankwesen als gewerbsmäßigen Geldverleih ab.

Der Reformator setzte sich dafür ein, diakonische Einrichtungen für Kranke und Bedürftige auszubauen, und er schaffte über öffentliche Kredite neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Wer nicht arbeiten konnte, um den kümmerte sich die Fürsorge und jeder Mensch, der eine Arbeit hatte, sollte davon auch leben können. Mit diesen Maßnahmen sollten die Armen aus ihrer Armut befreit werden.

Es ist kein Zufall, dass sich aus dieser Haltung einer Unternehmerfreundlichkeit mit sozialem Gewissen der Kapitalismus, aber auch sozialistische Strömungen speisten. Denn Calvin ging es nicht darum, dass der einzelne möglichst hohen Profit machen konnte sondern um das Allgemeinwohl. Verschwendung und Prunksucht waren für ihn Sünde. Hätte sich so eine Haltung zu Geld und Besitz durchgesetzt, es gäbe nicht diese Ungleichverteilung zwischen jenen, die über mehr Vermögen verfügen als ganze Staaten und denen, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag überleben sollen. Es sind die Armen, die uns darauf hinweisen, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte und der Mensch gefordert ist, daran etwas zu ändern.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Michael Praetorius/1571 - 1621
Gesamttitel: TERPSICHORE 1612 / Querschnitt durch die Tänze Sammlung
Titel: Stil, stil een Reys
Ausführende: Ricercare Ensemble für Alte Musik, Zürich
Länge: 02:00 min
Label: EMI CDM 7 63144 2

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