Gedanken für den Tag
von Mirja Kutzer, Germanistin und katholische Theologin. "Erlesen Reisen". Gestaltung: Alexandra Mantler
26. Juli 2014, 06:56
In Wahrheit erfunden
Die Bibel ist Weltliteratur und in zentralen Teilen Reiseliteratur. Wer in ihr liest, bricht mit Abraham von Hebron auf oder wird mit Josef nach Ägypten entführt. Er folgt dem Volk Israel auf seinem Weg durch die Wüste, wandert mit Jesus samt seinen Jüngerinnen und Jüngern durch Palästina und begleitet schließlich Paulus auf seinen Reisen. Es sind zum Teil spannende Geschichten, die sich genussvoll lesen lassen. Noch bevor sich die Frage stellt, inwieweit diese Geschichten historisch sind und Reales beschreiben, sind sie zunächst einmal eine Einladung an die Leserin oder den Leser und sein Vorstellungsvermögen. Er wird Mitreisender. Unversehens findet er sich zusammen mit Jona im Bauche eines Wales und kann sich ausmalen, wie es sich im Inneren des riesigen Säugetieres anfühlt. Wirklich erfahren und aus Erfahrung beschrieben hat das wohl noch keiner. In aller Deutlichkeit gibt das Buch Jona zu verstehen, dass die Bibel hier mit dem Fiktionalen, dem Erfundenen spielt. Ihren Anspruch auf Wahrheit gibt sie damit freilich keineswegs auf.
Der französische Philosoph Paul Ricour hat "in einem gewissen Sinn und bis zu einem gewissen Punkt" alle Texte der Bibel als dichterisch bezeichnet. Sie haben insofern einen Hang zum Poetischen, als es ihnen kaum je darum geht, Gegebenheiten im heutigen historischen Sinn zu beschreiben. Vielmehr sind sie ein Angebot an ihre Leser, sich selbst und die Welt neu zu verstehen. Darin sind sie zunächst ein Appell an die Phantasie. Wir müssen aus dem Buch Jona nicht lernen, wie der Bauch eines Wales von innen aussieht. Es ist unwahrscheinlich, dass wir das je im Leben brauche werden. Aber sich mit Jona dorthin zu begeben mag den Sinn dafür eröffnen, dass auch die unmöglichsten Plätze zu Orten des Gottvertrauens werden können. In diesem Sinne ist das Buch Jona "in Wahrheit erfunden".
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Sendereihe
Übersicht
- Reisen
Playlist
Komponist/Komponistin: Elliot Goldenthal/geb.1954
Vorlage: Hayden Herrera
Gesamttitel: FRIDA / Original Filmmusik
Titel: Self portrait with hair down/instr.
Untertitel: MUSIC FROM THE MOTION PICTURE SOUNDTRACK
Leitung: Stephen Mercurio
Orchester: Filmorchester
Ausführender/Ausführende: Francisco "Pancho" Navarro /Gitarre
Länge: 02:20 min
Label: DG/Universal Classics 4741502