Gedanken für den Tag

von Amena Shakir, Islamwissenschafterin und Politologin."Als wüssten wir, was uns erwartet" - Gedanken zur islamischen Pilgerfahrt. Gestaltung: Alexandra Mantler

Gebet, Sammlung, Konzentration

Wenn in diesen Tagen vom Islam die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit Politik, mit Terror und Gewalt, die ich - wie viele andere Musliminnen und Muslime - strikt ablehne. In all den durchaus berechtigten Diskussionen darum werden auch viele Musliminnen und Muslimen derzeit herausgefordert, sich auf das Eigentliche ihrer Religion zu besinnen. Gerade diese islamischen Feiertage, in denen die große Pilgerfahrt, der Hadsch, stattfindet, sind eine gute Gelegenheit dafür. Ein zentraler Moment der islamischen Pilgerfahrt ist der Augenblick, in dem ein Mensch sich innerlich sammelt und konzentriert, um die ausdrückliche Absicht zum Pilgern zu treffen. Äußerlich findet dieses seinen Ausdruck in einem rituellen Gebet - welches innerlich in der Besinnung und Erinnerung an die individuelle Motivation münden soll. Der zeitgenössische Schriftsteller Ilija Trojanow schildert diesen für ihn so bedeutungsvollen Augenblick:

"Nach einem kurzen einsamen Gebet stand ich mitten im Zimmer und fühlte mich ausgeliefert; die Freunde begutachteten mich, äußerten ihre Zufriedenheit, und doch spürte ich zwischen uns eine gewisse Distanz. Mit dem Anlegen des Ihram war ich in den Zustand des Pilgers getreten und als solcher ihnen nicht mehr gleich. Nicht nur, weil ich in beneidenswerter Weise gesegnet war, für mich galten von nun an in vielem die umgekehrten Regeln als für sie, die "normalen" Gläubigen. Im Ihram war es mir verboten, Haare und Nägel zu schneiden, genähte Kleidung oder Kopfbedeckung, feste Schuhe oder Socken zu tragen, Parfüm zu benutzen, das Gesicht zu verdecken, Geschlechtsverkehr zu haben, Tiere zu töten, zu kämpfen und zu streiten. Mit dem Ende der Pilgerschaft würde ich zu den Freunden und den gewohnten Normen zurückkehren, ausgezeichnet allerdings als Hadschi, als jemand, dem Respekt gebührt, weil er die Pilgerreise nach Mekka abgeleistet hat."

Vielleicht hat Ilija Trojanow mit dieser Beschreibung den Kern des Hadsch getroffen - eine Zeit lang zu verzichten und Abstand zu halten von dem, was "normal" ist und auf diese Weise Bewusstsein zu erlangen darüber, dass vieles von dem, das als "normal" empfunden wird, vielleicht nochmals überdacht werden sollte. Das Leben ist zu wertvoll, als dass es unbedacht gelebt werden sollte. Besinnt man sich und erinnert sich seiner Ziele und Hoffnungen, dann bekommt jeder noch so kleine Moment eine tiefe Bedeutung.

Service

Alexander Tschernek

Buch, Muhammad Asad, "Der Weg nach Mekka", Verlag Patmos
Buch, Ilija Trojanow, "Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina", Malik-Verlag
Buch, Charles Le Gai Eaton, "Der Islam und die Bestimmung des Menschen", Verlag Hugendubel
Buch, Murad Hofmann, "Reise nach Mekka", Diederichs Verlag

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Titel: Serenade Nr.7 in D-Dur KV 250 (248b)
* Andante - 6.Satz (00:06:54)
Populartitel: Haffner Serenade
Solist/Solistin: Thomas Zehetmair /Solo - Violine
Orchester: Staatskapelle Dresden
Leitung: Nikolaus Harnoncourt
Länge: 02:40 min
Label: Teldec 843062

weiteren Inhalt einblenden