Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". Gestaltung: Alexandra Mantler

Franz Werfel

Im Jahr 1930 ist Franz Werfel auf einer Reise im Nahen Osten unterwegs. In Damaskus sieht er armenische Flüchtlingskinder, die in einer Teppichfabrik arbeiten. Dieses "Jammerbild" "verstümmelter und verhungerter Flüchtlingskinder" habe, so schreibt Werfel später, den entscheidenden Anstoß gegeben, sein gewaltiges Werk "Die vierzig Tage des Musa Dagh" zu schreiben, mit dem er "das unfassbare Schicksal des armenischen Volkes dem Totenreich alles Geschehens" entreißen wollte.

Der umfangreiche Roman wird 1933 erscheinen, also im Jahr von Hitlers Machtergreifung. So fiktional die Figuren auch sind, die die Handlung des Romans tragen, so gründlich hat Werfel die geschichtlichen Quellen zu dem staatlich angeordneten Völkermord des Jahres 1915 recherchiert: Protokolle, Augenzeugenberichte, Mitteilungen von Botschaften, Flugblätter etc. Auch jener ganz und gar unfassbare Satz findet sich in einem Erlass: "Das Ziel der Deportationen ist das Nichts".

Werfel wählt, um vom Mord an den Armeniern zu erzählen, die Geschehnisse um den Musa Dagh, den Berg, den Moses wählte, wo sich Tausende Armenier verschanzt hielten. Dies erlaubte ihm, trotz allem, einen einigermaßen glücklichen Ausgang zu erzählen: Denn am Ende werden jene Armenier, die vom Berg aus bewaffneten Widerstand leisteten, von einem Schiff gerettet und nach Ägypten gebracht.

Eine Heilsgeschichte also trotz der ungeheuren armenischen Unheilsgeschichte schreibt Werfel, der Jude, der vom Christentum fasziniert ist. Die religiöse Bedeutung lässt sich auch aus der Symbolik lesen, die Werfel seinem Roman eingeschrieben hat. sieben Dörfer sind es statt der historischen sechs (Sieben ist eine heilige Zahl), 40 Tage waren die Menschen auf dem Berg eingeschlossen und die Zahl erinnert an die 40 Tage der Sintflut und die 40 Tage und Nächte von Moses auf dem Berg Sinai. Und der Anführer der Armenier in Franz Werfels Roman, dieser Held wider Willen, der zwar seine Familie und sein Leben verliert, aber so viele andere gerettet hat, heißt wie ein Engel: Gabriel.

Service

Buch, Franz Werfel, "Die vierzig Tage des Musa Dagh", Fischer Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Komitas (Soghomon Soghomonian)/1869 - 1935
Vorlage: Traditional / Armenien
Bearbeiter/Bearbeiterin: Sergei Z. Aslamazian /Arrangement./1897 - 1978
Urheber/Urheberin: KOMITAS (Vardapet S. Soghomonian)/26.9.1869 Kutais (Kutahia) - 22.10.1935 Paris
Album: TÄNZE AUS DEM HERZEN EUROPAS / I Musici de Montreal
Titel: Nr.9 Erkink ampel a (Der bewölkte Himmel) (00:02:57)
Gesamttitel: ZEHN ARMENISCHE VOLKLIEDER UND VOLKSTÄNZE - für Streichorchester
Ausführende: I Musici de Montreal
Leitung: Yuli Turovsky /Violoncello und Leitung
Ausführender/Ausführende: Jacques Proulx /Percussion
Länge: 02:00 min
Label: Chandos CHAN10094

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