Nachtquartier

11. Juni 2015, 00:08

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Luftfahrt den Ruf erworben, das sicherste Verkehrsmittel der Welt zu sein. Dies trotz einer Menge objektiver Gefahren, die beim Betrieb eines Verkehrsflugzeugs lauern. Hohe Geschwindigkeit, leichte, dünnwandige Baumaterialien, große Mengen brennbarer Treibstoff, eine große Zahl von Menschen auf sehr engem Raum, meteorologische Widrigkeiten, extreme Temperatur- und Druckunterschiede, die Liste der offensichtlichen Risiken könnte noch lange fortgesetzt werden. Und trotzdem gelingt es, diese Faktoren weitgehend unter Kontrolle zu halten und eine Sicherheitsstatistik vorzuweisen, die beeindruckend ist. Der Aufwand dafür ist beträchtlich. Kommt es in diesem System zu Fehlern, sind die Konsequenzen oft dramatisch und vor der Öffentlichkeit kaum zu verbergen. Der Flugkapitän, Human Factors Specialist und CRM (Crew Ressource Management Trainer) Wolfgang Müller setzt seinen Schwerpunkt auf den menschlichen Faktor:

"Traditionelle Denkkonzepte folgen eher mechanistischen Regeln, mit dem Blick auf die Vergangenheit gerichtet. Die Formel ,Wir hatten keinen Unfall, also sind wir sicher!' ist jedoch nicht haltbar. Hier wird Sicherheit als ein Zustand verstanden. Wir verstehen Sicherheit jedoch nicht als Zustand, sondern als Aktivität, als ein stetiges Bemühen mögliche Risiken zu antizipieren und deren Auswirkungen zu begrenzen. Wir verstehen Sicherheit als einen inneren Wert, der alle Aspekte unseres Handelns beeinflusst."

Dieser Ansatz wurde nicht nur erfolgreich in der Flugsicherheit kultiviert, sondern auch bei einem Projekt (u.a.) an der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Wilhelminenspital der Stadt Wien und ist in nahezu jedem Bereich einsetzbar, in dem eine Fehlleistung extreme Konsequenzen nach sich ziehen kann und daher einen offenen, progressiven Umgang mit dem Fehler benötigt.

Müller war von 1980 bis 2007 Linienpilot bei Austrian Airlines, 2007 bis 2009 Kapitän auf Airbus A-340 bei China Eastern Airlines in Shanghai und ab 2009 bei Hainan Airlines in Peking, zur Zeit auf Airbus A-330. 12 Jahre wirkte er beim Pilotenauswahlverfahren der Austrian Airlines mit, zudem war er Projektleiter des "Human Factors Project".

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