Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Und es ist doch möglich ..." - Zum 20. Todestag von Michael Ende. Gestaltung: Alexandra Mantler

Er sei ein Kinderbuchautor, hieß es über Michael Ende immer, und eine solche Zuweisung bedeutet womöglich implizit auch: "nur" für Kinder, also irgendwie minderwertig. Die Frage, warum er für Kinder schreibe, beantwortete Ende in einem Essay nur zögernd und über den Umweg einer Geschichte. Schreibt er denn für Kinder? Nein, im Grunde schreibe er überhaupt nicht für Kinder. Sondern er schreibe Bücher, die er als Kind selbst gerne gelesen hätte. Aber auch das stimme nicht ganz. Denn es geht ja nicht um Vergangenheit. Denn im Grunde fühle er sich als der gleiche, der er damals war.

"Ich habe mich mein Leben lang dagegen gewehrt, das zu werden, was man heutzutage einen richtigen Erwachsenen nennt, nämlich jenes entzauberte, banale, aufgeklärte Krüppelwesen, das in einer entzauberten, banalen, aufgeklärten Welt sogenannter Tatsachen existiert", gibt Ende gerne zu.

Und deswegen erzählt er die Welt so, dass wunderbare Begebenheiten in ihr möglich und wahrscheinlich sind. Er erzählt seine Geschichten für das Kind in ihm selbst und in allen Menschen egal welchen Alters. Und er verfolgt damit keine pädagogischen Absichten, wie sie traditioneller Weise in Kinderbüchern gerne gesucht werden.

"Ich glaube, dass in jedem Menschen, der noch nicht ganz banal, noch nicht ganz unschöpferisch geworden ist, dieses Kind lebt", sagt Michael Ende. "Ich glaube, dass die großen Philosophen und Denker nichts anderes getan haben, als sich die uralten Kinderfragen neu zu stellen: Woher komme ich? Warum bin ich auf der Welt? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? Ich glaube, dass die Werke der großen Dichter, Künstler und Musiker dem Spiel des ewigen und göttlichen Kindes in ihnen entstammen - dieses Kind, das ganz unabhängig vom äußeren Alter in uns lebt, ob wir neun Jahre alt sind oder neunzig; dieses Kind, das nie die Fähigkeit verliert zu staunen, zu fragen, sich zu begeistern; dieses Kind in uns, das so verletzlich und ausgeliefert ist, das leidet und nach Trost verlangt und hofft; dieses Kind in uns, das bis zu unserem letzten Lebenstag unsere Zukunft bedeutet."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Folk
Gesamttitel: DIE UNENDLICHE GESCHICHTE II - AUF DER SUCHE NACH PHANTASIEN / Original Filmmusik
Titel: Silver mountains/instr.
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks /Mitglieder
Orchester: Bayerisches Staatsorchester
Orchester: Bayerisches Staatsopernorchester
Orchester: Großes Rundfunkorchester Berlin
Chor: Bayerischer Staatsopernchor
Länge: 02:00 min
Label: WEA 9031726572

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