Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Und es ist doch möglich ..." - Zum 20. Todestag von Michael Ende. Gestaltung: Alexandra Mantler

Wenn Kinder spielen wollen, möchten sie eine Zeit lang nicht so funktionieren, wie sie sonst funktionieren müssen, wenn sie zum Beispiel Mathematikaufgaben machen oder das Zimmer aufräumen sollen. Das Spiel entzieht die spielenden Menschen der Zweckmäßigkeit, den Handlungszwängen des Alltags. Das gilt auch für das Lesen.

Doch stand auch das Lesen von Literatur immer wieder unter dem Postulat der Nützlichkeit, war Kunst nicht immer so zweckfrei und autonom, wie manche sie gern sehen wollten. Der pädagogisierende Anspruch war etwa deutlich in jenen Kinder- und Jugendbüchern zu erkennen, die dazu dienen sollten, den Jugendlichen die moralischen Werte der Gesellschaft beizubringen. Unterhaltung wird sozusagen in Kauf genommen, als Mittel zum Zweck, die hehren Ziele der Aufklärung zu erreichen.

Das ist eine Auffassung, die ein Schriftsteller wie Michael Ende ablehnen musste. "Das Spiel kann nämlich", schrieb er einmal, "wenn es wirklich Spiel bleibt, niemals moralisieren." Und Lesen ist nicht dazu da, eine Botschaft aus der Literatur auszuquetschen. Das wäre ein Missverständnis, das bei der Musik seltener auftritt als bei der Literatur, denn bei der Musik kann man nicht anders, als die Gestalt wahrnehmen. Da aber Literatur aus Worten besteht, fällt es manchen besonders schwer "die Gestalt-Idee wahrzunehmen, eben weil sie sich von ihrer Suche nach einer 'Aussage' den Blick verstellen lassen."

Michael Ende wollte aber eben keine 'Aussage' mitteilen, keine Weltanschauung lehren, dann höre ein Künstler auf Künstler zu sein, meinte er. Er verstand es als seine Aufgabe als Dichter und Schriftsteller, dem Leben Zauber und Geheimnis zu verleihen und zwar nicht als Propagandist einer Botschaft. Und er betonte die Bedeutung des Humors, einer Bewusstseinshaltung also, die es ermöglicht, eigene Unzulänglichkeiten einzugestehen und jene der anderen "mit einem Lächeln zur Kenntnis zu nehmen".

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Angelo Branduardi
Bearbeiter/Bearbeiterin: Gianfranco Lombardi
Gesamttitel: MOMO / Original Filmmusik
Titel: Momo und Cassiopea
Solist/Solistin: Angelo Branduardi /Violine, Gitarre, Flöte
Leitung: Gianfranco Lombardi
Orchester: Unbekannt
Länge: 02:20 min
Label: Ariola 257825

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