Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin, Germanistin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "die Furche". "Anders sehen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Ideal und Wirklichkeit

Die Figur des Don Quijote hat längst ein Eigenleben erreicht. Man kennt sie, selbst wenn man die zwei Teile des umfangreichen Romans von Miguel de Cervantes nie gelesen hat. Der leidenschaftliche Leser von Ritterromanen, Alonso Quijano, steigt in eine rostige Rüstung, zerrt seinen Gaul aus dem Stall, nennt sich "Don Quijote", lässt sich zum Ritter schlagen und will die Realität so verstehen, wie sie in Ritterromanen erscheint.

"Don Quijote ist ein Leser", meinte der Schriftsteller Carlos Fuentes einmal. "Aber trotz seiner Sehnsucht nach dem Mittelalter ist er ein moderner Leser, der seine Bücher in Drucken liest, die dem Genie des deutschen Verlegers Gutenberg zu verdanken sind. Verrückt nach den Büchern, macht Don Quijote die Lektüre zu seinem Wahn, und besessen von beiden, will er das, was er liest, Wirklichkeit werden lassen. Er will eine verlorene, ideale Welt wieder auferstehen lassen. Aber als er sein Dorf verlässt, stößt er auf eine Welt, die alles andere als ideal ist, eine Welt mit Räubern, Sträflingsketten und skrupellosen Schankwirten, die sich über ihn lustig machen, ihn prügeln und prelle.

Doch trotz der Schläge der Wirklichkeit besteht Don Quijote darauf, Riesen zu sehen, wo Windmühlen sind und Soldatenheere, wo nur Schafherden sind."
Die 200 Jahre nach 1492 werden bis heute als Goldenes Zeitalter bezeichnet. Das allerdings war keineswegs so golden, wie der Name versprechen sollte. Ökonomisch und gesellschaftlich bereitete sich bereits zu Cervantes' Lebenszeit der Niedergang des Spanischen Großreiches vor. Seine literarische Figur Don Quijote aber will Ritterlichkeit, Mut, Tapferkeit, Ehre und den Schutz der Armen Wirklichkeit werden lassen.

Dieser Don Quijote ist ein Idealist. Er will sich nicht abfinden mit dem, was er vorfindet. Er zieht aus, um aus der Welt, die dieser Vorstellung nicht entspricht, eine solche zu machen.
Am Ende kehrt er in sein Dorf zurück. "Er verliert seinen Wahn, nur um zu sterben", schrieb Carlos Fuentes einmal. "Dostojewski sagte zu Recht, der Don Quijote sei das traurigste Buch, das je geschrieben worden ist, denn es ist die Geschichte einer verlorenen Illusion."

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160706 Gedanken für den Tag / Schwens-Harrant
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Mitch Leigh/geb.30.1.1928
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Joe Darion/1917 - 2001
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Robert Gilbert /deutsch
Gesamttitel: DER MANN VON LA MANCHA / Musical / Querschnitt
Titel: 11. Der unmögliche Traum / Don Quijote (00:02:08)
Anderer Gesamttitel: MAN OF LA MANCHA
Leitung: Johannes Fehring
Orchester: Orchester des Theaters an der Wien
Solist/Solistin: Josef Meinrad /Gesang - Don Quijote
Solist/Solistin: Fritz Muliar /Gesang - Sancho
Solist/Solistin: Blanche Aubry /Gesang - Aldonza
Solist/Solistin: Norman Foster /Gesang - der Gastwirt
Solist/Solistin: Frank Dietrich /Gesang - Dr.Carasco
Solist/Solistin: Egon Simonet /Gesang - der Padre
Solist/Solistin: Brunhilde Feuchtmaier /Gesang - Antonia
Solist/Solistin: Bianca Zambelli /Gesang - die Haushälterin
Solist/Solistin: Carlo Lando /Gesang - der Barbier
Solist/Solistin: Rudolf Katzböck /Gesang - Maultiertreiber
Solist/Solistin: Berno Cramm /Gesang - Maultiertreiber
Solist/Solistin: Jörg Maria Berg /Gesang - Maultiertreiber
Solist/Solistin: Harald Sielaff /Gesang - Maultiertr.
Solist/Solistin: Hannes Müller /Gesang - Maultiertreiber
Solist/Solistin: R.W. Wasserlof /Gesang - Maultiertr.
Länge: 02:00 min
Label: Polydor 5215722

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