Erasmus-Brücke in Rotterdam

AP/PETER DEJONG

Gedanken für den Tag

von Rupert Klieber, Theologe, Historiker und Professor für Kirchengeschichte. "Größe und Tragik eines Humanisten" - Zum 550. Geburtstag des Erasmus von Rotterdam. Gestaltung: Alexandra Mantler

Erasmus von Rotterdam stand vor 500 Jahren am Zenit seines Schaffens - ist er heute noch relevant? Seine Adagia, eine Sammlung von Sprichwörtern aus der antiken Literatur, wurde für Gebildete rasch Pflichtprogramm und in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Ihr verdanken wir geläufige Redewendungen wie: "Durch Schaden wird man klug", "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", oder: "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul".

Der literarische Durchbruch gelang Erasmus 1510 mit seinem "Lob der Torheit", in dem er satirisch die Borniertheit und Eitelkeit der kirchlichen wie weltlichen Eliten auf die Schaufel nahm. Größte Verdienste um die Theologie erwarb er sich 1516 mit einer verbesserten griechischen Textausgabe des Neuen Testaments.

Vollends brisant wurde seine Lage jedoch ab 1517, nachdem die Thesen Martin Luthers einen Tsunami an religiös-politischem Streit auslösten - er sollte Europa für Jahrhunderte bis hin zu Waffengängen polarisieren. Alle Seiten drängten Erasmus nun zur Parteinahme, die er jedoch bis zu seinem Tod 1536 konsequent verweigerte. Zwar teilte er viele Kritikpunkte Luthers an der Kirche. Auch er trat gegen den überhitzten religiösen Markt der Zeit für eine nüchterne, ins berufliche und familiäre Leben integrierte Religiosität ein. Luthers deftig-populistische Zuspitzung, Deutschtümelei und Preisgabe der Kircheneinheit aber lehnte er ab - Erasmus wollte nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. In seinem Buch, "Versuchungen der Unfreiheit" von 2008 feiert der Soziologe Rolf Dahrendorf ihn gerade darin als Prototypen des modernen Intellektuellen, als "disziplinierten Beobachter, der sich nicht vereinnahmen lässt".

Unsere Welt, die erneut tiefe Gräben durchziehen, braucht Brückenbauer vom Schlag eines Erasmus dringender denn je!

Service

Ralf Dahrendorf, "Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung, Verlag C. H. Beck

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Heinz Jacob Spelmans/geb.1949
Vorlage: Michael Praetorius/1571 - 1621
Komponist/Komponistin: Claude Gervaise/ - gest.um 1558
Album: Musica Variata Vol.2 - Faszination der Klänge
* Allemande (00:01:22)
Titel: Suite im Stile alter Meister - für Dudelsack und Orgel / nach 3 Tänzen der Renaissance
Ausführende: Musica Variata
Solist/Solistin: Klaus Gocksin /Dudelsack
Solist/Solistin: Heinz Jacob Spelmans /Orgel
Länge: 02:00 min
Label: Koch Schwann 312872

weiteren Inhalt einblenden