Menschenbilder

30. Oktober 2016, 14:10

Er ist einer der renommiertesten Erforscher der menschlichen Persönlichkeit. Der Arzt Otto Friedmann Kernberg, geboren am 10. September 1928 in Wien, hat Erklärungen und Therapien für psychische Krankheiten gefunden, die davor als kaum behandelbar galten, darunter die Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Aggression und Hass lernt er schon jung kennen, als er mit seiner Familie den Anschluss und das Novemberpogrom erlebt, die so genannte Reichskristallnacht. Eine, wie Kernberg sich erinnert, ideale Kindheit geht damit zu Ende, geprägt von der patriotischen Liebe seines Vaters zur Architektur, Musik und Kultur der Kaiserstadt. Ihm verdankt Otto Kernberg seine bis heute positive Einstellung zu Wien und Österreich - das Überleben der Familie aber seiner Mutter: "Sie war eine paranoide Persönlichkeit, die sagte: 'die ermorden uns alle'".

1939 emigriert die Familie nach Chile. Dort absolviert Kernberg das Gymnasium, studiert Medizin, spezialisiert sich auf Psychiatrie und macht eine Ausbildung zum Psychoanalytiker. In den Jahrzehnten seiner Tätigkeit wird Kernberg beides verbinden: die geisteswissenschaftliche Tradition der Psychoanalyse und die naturwissenschaftliche Ausrichtung der Medizin einschließlich der Hirnforschung, die er bis heute verfolgt.

Anfang der 1960er Jahre wechselt Otto F. Kernberg in die USA, forscht 12 Jahre an der Menninger-Klinik in Topeka, wird Professor an der Columbia-Universität, danach an der Cornell-Universität, beide in New York. Er konzentriert sich auf die Arbeit mit den "schwierigsten" Patient/innen, die man für die Psychoanalyse nicht als geeignet erachtet, entwickelt Therapien für Psychosen, Suizidalität, narzisstische und Borderline-Persönlichkeitsstörungen.

Von 1997 bis 2001 ist Otto F. Kernberg Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. In dieser Funktion wie in seinen Büchern vereint er Richtungen der Psychoanalyse, deren Vertreter einander in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg mitunter erbittert bekämpft haben, namentlich die in den USA beliebte Ich-Psychologie von Heinz Hartmann und die in Großbritannien und Lateinamerika einflussreiche Schule von Melanie Klein, beide ebenfalls aus Wien stammend.

Mehr als ein halbes Jahrhundert währte die Ehe Otto F. Kernbergs mit der ursprünglich chilenischen Kinderpsychiaterin Paulina Kernberg, Professorin an der Cornell-Universität: "Ich glaube, ihr Tod im Jahr 2006 war für mich die schwerste Situation meines Lebens". Kernberg ist in zweiter Ehe mit der Psychologin Kay Haran verheiratet. Sein aktuelles Interesse gilt unter anderem Liebesbeziehungen und der Behandlung von Konflikten in Ehe und Partnerschaft, mit diesem Thema beschäftigte sich auch die von ihm gehaltene Anna-Freud-Vorlesung an der Medizinischen Universität Wien 2015.

Bis heute widmet Otto F. Kernberg seine Zeit der therapeutischen Arbeit mit Patient/innen, der Forschung und Lehre.

Sendereihe

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Gestaltung

• Johann Kneihs