Leporello

Adolf Lorenz, Orthopäde

Klaus Taschwer über Konrad Lorenz' Vater Adolf

Der Wissenschaftsjournalist Klaus Taschwer führt in ein Wiener Museum ganz spezieller Art: Adolf Lorenz, der Vater des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, entwickelte in der Rathausstraße Nr. 21 gemeinsam mit seinem älteren Sohn Albert Heilmethoden, die weltweit bahnbrechend auf dem Gebiet der Orthopädie waren. Anlässlich der Wiederauflage von Adolf Lorenz' Autobiografie "Ich durfte helfen", zu der Taschwer für den Czernin Verlag das Nachwort schrieb, öffnet der Kustos der Erinnerungsstätte, Wolfgang Riemer, die Pforte zu einer Privatbesichtigung.

Adolf Lorenz, der aus kleinsten Verhältnissen stammte, entwickelte spektakuläre Heilmethoden, so therapierte er etwa angeborene Hüftluxationen bei Kindern, indem er die kleinen Patienten in Froschsprunghaltung eingipste. Dank seiner Meriten erhielt er bald Zutritt in die höchsten Gesellschaftskreise und versorgte - oft genug mit brachialer Gewalt - die Wehwehchen des gesamten Hofstaats Kaiser Franz Josephs - die der illustren Monarchen-Freundin Katharina Schratt inklusive. Schließlich weitete Lorenz seinen Horizont bis nach Amerika aus, wo er u.a. beim Präsidenten Franklin D. Roosevelt sowie beim legendären Autobauer Henry Ford aus und ein ging - und der Liebling der Medien war

Denkt ein Tourist ans Wien um 1900, fallen ihm als erstes Klimt, Schiele oder Mahler ein. Klaus Taschwer verweist darauf, dass die Stadt nicht nur die Metropole der Kunst, sondern auch der Medizin und der Wissenschaft war. Die Figur Adolf Lorenz verkörpert für ihn aber auch die Geschichte der politischen Katastrophen, der Irrungen und Wirren des 20. Jahrhunderts.

Adolf Lorenz war ein Lebemann und in den höheren Kreisen der Gesellschaft zeitlebens wohlgelitten; politisch war er allerdings naiv und schlecht informiert, schon im 1.Weltkrieg hatte er sich vom Kriegstreiber Kaiser Franz Josef instrumentalisieren lassen. Und auch dem Nationalsozialismus stand der Darwinist Adolf Lorenz - wie übrigens fast die gesamte akademisch-wissenschaftliche Elite jener Zeit - durchaus nicht abweisend gegenüber. Im katholischen Ständestaat unter Dollfuß war die wissenschaftliche Beschäftigung mit Darwin verpönt; die Nazis hatten mit der Evolutionslehre hingegen weniger Probleme. Aber auch in finanziellen Dingen war Adolf Lorenz naiv. Weil er im 1.Weltkrieg auf den Sieg des deutsch-österreichischen Heeres gesetzt und in Kriegsanleihen investiert hatte, verlor er sein gesamtes Vermögen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg raubte ihm die Inflation zum zweiten Mal sein Erspartes. Im hohen Alter von 70 musste er in Amerika noch einmal buchstäblich von vorne anfangen und im Akkord arbeiten, um wieder zu Geld zu kommen. In einem Interview war der in den USA immer noch gefeierte Wissenschaftler auf "Austria" jedenfalls nicht gut zu sprechen

Als Vater war Adolf Lorenz eine Schreckensgestalt. Sein Söhne Albert und Konrad mussten etwa auf Fahrrädern ohne Gummibelag und Bremsen den Semmering erklimmen; bezugnehmend auf den Ort seiner Zeugung nannte er Sohn Konrad zeitlebens nur den "Amerikaner"; die ersten Ambitionen des späteren Nobelpreisträgers Konrad, Graugänse zu erforschen, belächelte Adolf Lorenz milde.

Bis zu seinem 90. Lebensjahr blieb Adolf Lorenz dem weiblichen Geschlecht innig zugetan; unzählige Gedichte schrieb er über die Schönheit der Frauen - die für die Nachwelt allerdings weniger bedeutsam sein dürften als seine orthopädischen Forschungen. 90 Jahre lang führte er ein gleichermaßen arbeitsreiches wie hedonistisches Leben. Erst kurz vor seinem Tod fügte Adolf Lorenz sich in das Schicksal des körperlichen Verfalls, berichtet Wissenschaftsjournalist Klaus Taschwer.- Gestaltung: Christa Eder

Service

Buchpräsentation: 6. April, 18 Uhr in der ehemaligen Ordination von Adolf und Albert Lorenz in der Rathausstraße 21 in Wien. Anmeldungen unbedingt unter: office@orthopaedics.or.at (sehr begrenztes Platzangebot!)
Adolf Lorenz-Verein


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