Martin Pollack über Weißrussland

17. Oktober 2018, 06:56

Flüchtlinge in Belarus? Gibt's die überhaupt? Nach Meldung einer Regierungsstelle haben 2018 bis Juni 400 Flüchtlinge Schutz in Belarus beantragt, die meisten Ukrainer. Fast 80 Prozent der Anträge wurden positiv entschieden. Das klingt vorbildlich.

Die Menschenrechtsaktivistin Enira Bronitskaya, 37, Juristin, sieht das weniger rosig. Die blonde junge Frau, die aussieht wie eine Studentin, steht täglich um 12.16 Uhr mit Kollegen am Bahnhof der Grenzstadt Brest, um den Zug von der polnischen Grenzstation Terespol zu erwarten. Sie halten Ausschau nach Flüchtlingen, meist Tschetschenen, die am selben Morgen in Brest den Zug nach Terespol bestiegen haben, um über Warschau nach Berlin und von dort weiter nach Westen zu gelangen. Die Tschetschenen stellen auf der polnischen Seite Asylanträge, die in der Regel sofort abgewiesen werden, ohne jede Prüfung. Also retour nach Brest, wo zeitweise tausende Flüchtlinge stranden, um die sich Enira seit 2016 als Koordinatorin der belarussischen Hilfsorganisation Human Constanta kümmert.

Wir bekommen keine Hilfe vom Staat, doch die Behörden behindern unsere Arbeit auch nicht, das ist schon viel, sagt Enira. Es gibt auch keine Zusammenarbeit mit polnischen Behörden, nur mit polnischen NGOs.

Die Flüchtlinge in der Grenzstadt Brest, ein Problem, von dem Europa kaum etwas weiß und auch nichts wissen will. Flüchtlinge sind nirgends willkommen, die sollen ruhig in Belarus bleiben, wo man sie auch nicht haben will. Umso wichtiger ist die Arbeit von Enira, die sich unermüdlich um die Flüchtlinge kümmert und für ihre Arbeit brennt, sie organisiert Programme für Flüchtlingskinder, Zeichnen, Spiele usw.

Ob sie einen Traum habe, frage ich Enira. Nach kurzem Zögern sagt sie: Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht. Aber ich habe Ziele.

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