Russische Kriegsgefangene vor ihrer Heimkehr, Wien, November 1918

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Ausstellung: Die erkämpfte Republik im Wien Museum

12.November 1918. Wien an einem historischen Wendepunkt. Die Monarchie und der unsägliche Krieg sind zu Ende, Hunderttausende Menschen feiern auf der Ringstraße die Ausrufung der Republik Deutschösterreich und einen demokratischen Neubeginn. Was bleibt, sind Lehren, politische Konsequenzen - und die Bilder. Der Fotohistoriker Anton Holzer hat beeindruckende Aufnahmen dieses geschichtlichen Großereignisses aus den Archiven befreit und zeigt sie in der Ausstellung "Die erkämpfte Republik", die am kommenden Mittwoch im Wien Museum am Karlsplatz eröffnet wird.

Die Zensur ist abgeschafft, unabhängige Zeitungen können ihre Nachrichten wieder veröffentlichen, und das Volk hat seine Versammlungsfreiheit zurückgewonnen. Sieht man die Bilder näher an, erkennt man übrigens, dass sehr viel mehr Frauen als Männer unterwegs waren. Sie tragen rote Kopftücher und schwenken rote Fahnen. Ein Mann neigt seinen Kopf neugierig in die Kamera.

Der gebürtige Südtiroler Anton Holzer ist ein Wissenschaftler, der sich nicht nur für die großen Errungenschaften der Geschichte interessiert. Aufmerksam blickt er auch auf die Szenen des Alltags, und die belegen, dass der 12.November 1918 kein abstraktes politisches Datum ist, sondern ein Massenereignis, bei dem jedes Gesicht eine Geschichte erzählt. Die Historie wird so mit Leben erfüllt

Zu verdanken sind die meisten Aufnahmen dem Fotografen Richard Hauffe, dem in der Ausstellung "Die erkämpfte Republik" eine zentrale Bedeutung beigemessen wird. Seine Kamera war ein klobiger Apparat, die Negative entwickelte er auf Glasplatten daheim im Badezimmer. Hauffes Sympathie galt wohl den kämpferischen Arbeitern, doch seine Fotos verkaufte er allesamt an bürgerliche Wochenzeitungen, da Tageszeitungen wie etwa die Arbeiter Zeitung damals noch keine Fotos druckten. Besagter Mann aus dem Volk, der den Kopf in die Kamera neigte, hat sein Foto daher vielleicht nie zu Gesicht bekommen. - Wieviel weniger kostbar und bedeutungsvoll sind da die Bilder von heute. Sie sind flüchtig geworden, so Anton Holzer

Die Aufbruchsstimmung des November 1918 dauerte bekanntlich nur 15 Jahre, die Zeitspanne, die folgt, ist bestens analysierte Geschichte. Doch jene Errungenschaften wie Meinungs- und Medienfreiheit scheinen in Europa heute indes nicht mehr überall selbstverständlich zu sein. Anton Holzer verweist auf den kämpferischen Titel seiner Ausstellung und appelliert, dass kein Volk sich auf seinen Lorbeeren ausruhen sollte, Eine wohlige Hundertjahr-Gedenk-Behaglichkeit hält er angesichts all der Anfechtungen der Demokratie für gefährlich.- Gestaltung: Christa Eder

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