Hundert Häuser

Gedenkort mit Ungereimtheiten

1948 - Befreiungsdenkmal Innsbruck

Errichtet wurde das Denkmal zwischen 1946 und 1948 auf Kosten und Initiative der französischen Militärregierung und nach Plänen des französischen Architekten und Designers Jean Pascaud. Seine Idee, die Form des monumentalen Eingangsportals des Landhauses aufzunehmen und im Denkmal widerzuspiegeln, darf als Themenverfehlung betrachtet werden, schließlich wurde dieses Gebäude 1938/1939 von den Nationalsozialisten als Gauhaus errichtet. So stehen sie sich nun also gegenüber: der ehemalige faschistische Gauhausbau - Symbol für Unterdrückung und Diktatur - und das antifaschistische Symbol für Widerstand und Befreiung in Form des in seinem Erscheinungsbild ebenfalls faschistisch anmutenden Befreiungsdenkmals.

Auch die Tiroler, denen die Franzosen bei der Detail-Gestaltung des Denkmals viel Freiraum ließen, haben bewusst oder unbewusst dazu beigetragen, die wahre Widmung des Bauwerks zu verschleiern. Nicht jeder beherrscht das Lateinische gut genug, um die Inschrift an der Attika des Denkmals auch zu verstehen und richtig zu deuten: "PRO LIBERTATE AUSTRIAE MORTUIS" - da kann schnell einmal der Eindruck entstehen, es handle sich um ein Kriegerdenkmal für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs. Und tatsächlich wurde es ab den 50er-Jahren, als derartige Kriegerdenkmäler üblich wurden, auch von vielen als solches verstanden oder uminterpretiert, falls sie es nicht schon zuvor als "Franzosendenkmal" abgetan hatten in der Überzeugung, es sei ein französisches Siegessymbol.

Inzwischen sind einige dieser Ungereimtheiten rund um das Befreiungsdenkmal behoben. Die Inschrift ist mittlerweile sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch, Französisch und Russisch am Denkmal zu lesen, und die Namen der bekannten und unter der wissenschaftlichen Leitung des Historikers Horst Schreiber beforschten Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer werden an der Seite des Denkmals aufgelistet - in nicht-alphabetischer Reihenfolge, denn es können ja noch welche dazukommen.

Architektur: Jean Pascaud
Fertigstellung: 1948
Adresse: 6020 Innsbruck, Eduard-Wallnöfer-Platz

Gestaltung: Michael Neuhauser

Service

Mit der Sendereihe "Hundert Häuser" wird eine Geschichte Österreichs anhand seiner Architektur erzählt - vom Jahr 1918, in dem am 12. November die Erste Republik ausgerufen wurde, bis zur Gegenwart. Für jedes Jahr steht ein historisch bedeutendes, architektonisch spannendes oder eine Epoche prägendes Bauwerk, das in jeweils einem Radiobeitrag porträtiert wird. Zu hören ist die hundertteilige Reihe von Montag bis Donnerstag um 17:25 Uhr, von Mitte Mai bis 12. November 2018.

Horst Schreiber, Christopher Grüner (Hrsg.) "Den für die Freiheit Österreichs Gestorbenen
Das Befreiungsdenkmal in Innsbruck. Prozesse des Erinnerns", Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2016

Eduard-Wallnöfer-Platz

erinnern.at - Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart

http://www.horstschreiber.at/texte/befreiungsdenkmal-innsbruck|Horst Schreiber] über das Befreiungsdenkmal Innsbruck

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