Else Lasker-Schüler

BILD ARCHIV AUSTRIA

Gedanken für den Tag

Cornelius Hell über Else Lasker-Schüler

"Wo du erzählst, wird Himmel". Zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler begibt sich der Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell auf Spurensuche. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Im Jahr 1933 emigrierte die Dichterin Else Lasker-Schüler von Berlin in die Schweiz, denn in Nazi-Deutschland war ihr Leben bedroht. Als 64-Jährige war sie von Hitler-Anhängern mit einer Metallstange verprügelt worden. In der Schweiz erhielt sie immer nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis und unternahm zwei Reisen nach Palästina, ihr geliebtes "Hebräerland".

Von ihrer dritten Palästinareise konnte sie durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zurückkehren; sie erkrankte schwer und starb 1945 in Jerusalem. In Jerusalem stellte sie ihren letzten Gedichtband zusammen, der 1943 erschien: "Mein blaues Klavier". Das titelgebende Gedicht ist eines ihrer bekanntesten. In den für sie so charakteristischen märchenhaften Ton mischen sich hier klare Benennungen der Zeitumstände:

Mein blaues Klavier

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.
Es spielten Sternenhände vier -
-Die Mondfrau sang im Boote-
Nun tanzen die Ratten im Geklirr.
Zerbrochen ist die Klaviatür.
Ich beweine die blaue Tote.
Ach liebe Engel öffnet mir
-Ich aß vom bitteren Brote-
Mir lebend schon die Himmelstür-
Auch wider dem Verbote.

Die Bitte an die Engel, die Himmelstür zu öffnen, ist der klare Wunsch, aus dieser Welt zu scheiden. Und das blaue Klavier ist zerbrochen, es steht im Keller, "Seitdem die Welt verrohte", wie das Gedicht konstatiert. Die Farbe Blau ist die bevorzugte Farbe der Romantik. Und Else Lasker-Schüler war in der Liebe wie in ihrer Poesie immer eine ekstatische Romantikerin. Außerdem hatte sie eine enge Beziehung zu Franz Marc und dem "Blauen Reiter". Das alles liegt jetzt in Trümmern.

Und doch ist dieses Klavier ein Stück Zuhause. Und doch ist die bittere Erinnerung auch eine Kraft. Und doch endet das Gedicht mit der Anrede an die Engel und der Hoffnung auf die Himmelstür.

Service

Buch, Cornelius Hell, "Ohne Lesen wäre das Leben ein Irrtum. Streifzüge durch die Literatur von Meister Eckhart bis Elfriede Gerstl", Verlag Sonderzahl (ab März 2019)

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Helmut Ockenfels
Vorlage: Erik Satie
Gesamttitel: HOMMAGE A ERIC SATIE II
Titel: Valse melancolique
Ausführende: Helmut Ockenfels Ensemble
Länge: 04:31 min
Label: UBM Records 1134

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