Bettlerin in Italien, Wasserspiegelung

AP/ALESSANDRA TARANTINO

Radiokolleg - Das neue Bürgergeld in Italien

Von la famiglia zum Vater Staat (1). Gestaltung: Christina Höfferer

Es war das zentrale Wahlversprechen der Wahlen in Italien 2018, und wurde vollmundig als "Gründung eines neuen Wohlfahrtsstaates" dargestellt: Das Bürgergeld.

Während in Österreich die Sozialleistungen gerade am Prüfstand stehen und teilweise Kürzungen unterworfen werden, geht das südliche Nachbarland einen anderen Weg. In Italien werden jetzt Maßnahmen getroffen, die das Land enger an die nördlicheren EU-Staaten mit ihrem traditionell weiter ausgebauten sozialen Netz heranrücken. Wenn ähnliche Maßnahmen auch schon von vorherigen Regierungen vorgeschlagen und diskutiert wurden, so ist es doch ein ganz neuer Ansatz, der jetzt verfolgt wird. Die Einwohner der Apenninenhalbinsel sind, was die finanzielle Vorsorge betrifft, weniger an Steuerungsmechanismen des Staates gewöhnt. In Fällen von Arbeitsverlust oder sogenannter Untätigkeit, aufgrund der generell angespannten Arbeitsmarktlage griffen die Italiener auf das System der Familie zurück. Jetzt wird ein Teil der Verantwortung für das finanzielle Fortkommen an den Staat delegiert. Dies schafft ganz neue soziale Bedingungen. Es kam bereits zu Scheidungen und Trennungen in Hinblick auf das neue Bürgergeld, welches, so vermuten manche, das traditionelle System der Familie im Süden aufbrechen könnte.

Seit März 2019 ist es nun möglich, Anträge auf Bürgergeld zu stellen. In den ersten zwei Wochen wurden bereits 330.000 Anträge eingebracht. Ein lediger und arbeitsloser Italiener soll ein Bürgergeld von 780 Euro im Monat bekommen. Eine fünfköpfige Familie mit einem erwachsenen Kind und zwei Minderjährigen soll auf 1.330 Euro kommen. Das Bürgergeld erhalten Familien, wenn sie ein Jahreseinkommen von weniger als 9.360 Euro vorzuweisen haben.

Antragsteller müssen seit zehn Jahren ihren Wohnsitz in Italien haben. Die Maßnahmen, die der italienische Staat gerade trifft, müssen immer auch im Zusammenhang mit der Idee einer Europäischen Sozialversicherung gesehen werden. Von Seiten der Europäischen Union werden diesbezüglich ebenfalls Entwürfe gemacht, die jedoch bisher an den unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten und am fehlenden politischen Willen zu einer EU-weiten Vereinheitlichung scheitern.

Laut Statistik gelten fünf Millionen Italiener als arm. Ihnen soll die neue Maßnahme zu gute kommen. Eine Sozialhilfe kannte Italien bis dato noch nicht.

Kritiker bemängeln an der italienischen Maßnahme, dass das Bürgergeld vor allem in von Niedriglöhnen geprägten Süden Menschen davon abhalten würde, Arbeit zu suchen, und gar eine Bereicherung für am Schwarzmarkt tätige darstellen könnte. Auch sei die italienische Arbeitsverwaltung, die den Regionen unterstellt ist, mit nur 9.000 Mitarbeitern und bisher kaum Erfahrung mit der Vermittlung von Arbeitsplätzen nicht ausreichend auf die neue Maßnahme vorbereitet.

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  • Christina Höfferer