Zwischenruf

Ulrich H. J. Körtner über Ulrich Zwingli

"Zwingli und die Zürcher Bibel". Ulrich H. J. Körtner, Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, über den neuen Film "Zwingli" und die erste deutschsprachige Bibelübersetzung. - Gestaltung: Martin Gross

Zwingli - der Film

Am Freitag vergangener Woche hatte der Film "Zwingli" in Wien Premiere. Mit Ulrich Zwingli, der ein Jahr jünger als Martin Luther war, begann vor 500 Jahren in Zürich die Schweizer Reformation. Nicht nur die Kirche, sondern auch das politische Gemeinwesen sollte nach Gottes Wort reformiert werden. Zwingli setzte auch eine grundlegende Reform des Sozialwesens durch. Die Klöster der Stadt wurden aufgelöst, ihr Besitz für die Finanzierung der Armenversorgung und des Bildungswesens verwendet.

Der sehenswerte Film mit Max Simonischek in der Hauptrolle zeigt uns auch Zwingli, den Bibelübersetzer. Schon in seiner ersten Messe am Züricher Großmünster versprach er den Leuten, die Bibel künftig auf Deutsch vorzulesen und auszulegen. Im Chorraum der Kirche richtete er eine theologische Hochschule ein, die Prophezei. Sie war die Keimzelle der 1833 gegründeten Universität Zürich. Mit einem Team von humanistisch gebildeten Mitstreitern übersetzte Zwingli die Bibel ins Deutsche. 1531 war die Arbeit abgeschlossen, drei Jahre vor der ersten vollständigen Ausgabe der Lutherbibel. Die Zürcher Bibel, die von Christoph Froschauer gedruckt und daher auch Froschauer-Bibel genannt wurde, ist bis heute die maßgebliche Bibelübersetzung der reformierten Kirchen im deutschen Sprachraum. 2007 ist eine vollständige Neuübersetzung der Zürcher Bibel erschienen.

Sola scriptura

Mit Luther teilte Zwingli die Überzeugung, dass der christliche Glaube und die Kirche allein auf das lebendige Wort Gottes gegründet sind, wie es in der Bibel bezeugt ist. Gottes Wort - und nicht etwa Bischöfe oder der Papst - sei in allen Fragen des Glaubens und des Lebens die letzte Instanz. Luther hat diesen Grundsatz auf die Formel "sola scriptura - allein die Schrift" gebracht.

Drei Jahre, nachdem Zwingli als Leutpriester an das Züricher Großmünster berufen worden war, kam es in der Passionszeit zu einem öffentlichen Skandal. Mit der Begründung, dass nirgends in der Bibel etwas von vorgeschriebenen Fastenzeiten oder gar von einem Fastenzwang steht, fand im Haus des Drucks Froschauer ein Wurstessen statt. Zwingli, der sich nicht selbst an der Aktion beteiligt hatte, verteidigte sie öffentlich und legte noch nach: Alle kirchlichen Bräuche, die sich nicht aus der Heiligen Schrift begründen ließen, seien abzuschaffen.

Befreiend, tröstlich und revolutionär

Die alleinige Autorität der Bibel begründete Zwingli damit, dass sie auf unzweifelhafte Weise Christus und sein Evangelium bezeuge. Zwingli wörtlich: "Höre doch das Evangelium! Es ist eine gewisse Botschaft, Antwort und Versicherung. Christus steht vor dir, er lädt dich mit offenen Armen ein und spricht nach Matthäus 11,28: ,Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe geben.' Was für eine frohe Botschaft, die uns erleuchtet, dass wir erkennen und glauben".

Das Evangelium hat nach Zwingli immer auch eine politische Dimension. "Es ist", schreibt der Reformator, "die Art des Gotteswortes, die Gewaltigen in ihrem Hochmut zu erniedrigen und den Demütigen gleich zu machen." Die Seligpreisungen Jesu hört Zwingli als frohe Botschaft für die Armen. Sein Fazit: "Das Gotteswort wendet sich überall an die Armen und hilft ihnen und es stärkt die Trostlosen und Verzweifelten. Die aber auf sich selbst vertrauen, die bekämpft es, dafür ist Christus Zeuge."

Noch immer ist die Bibel das weltweit am meisten verbreitete Buch. Bei vielen verstaubt sie heute allerdings ungelesen im Bücherschrank. Der neue Zwingli-Film zeigt, wie modern die Botschaft und das Wirken des Zürcher Reformators noch heute wirken. Er lebte mit und aus der Bibel. Vielleicht animiert der Film ja dazu, auch selbst wieder einmal die Bibel zur Hand zu nehmen und sich von ihrer gleichermaßen befreienden und tröstlichen wie revolutionären Botschaft anstecken zu lassen.

Sendereihe

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